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Donnerstag, 13. November 2014

Charlottenburg

Weil ich in der letzten Woche in Charlottenburg zu tun hatte, wollte ich bei dieser seltenen Gelegenheit auf den Spuren der preußischen Königin wandeln. Und auch hier ist es nicht anders als überall in Berlin - es wird saniert. Da gucken sogar die Königlichen Hoheiten dumm aus der Wäsche:

Charlottenburg 1

Charlottenburg 2

Charlottenburg 3

Mein Weg führte mich am Mausoleum vorbei. Das Wort Mausoleum kommt übrigens nicht von mausetot, obwohl die, die darin liegen, es sind. Das bringt mich wiederum zu der Frage, warum es nicht spinnentot, hasentot, fliegentot oder was weiß ich heißt. Mein Vermutung geht dahin, daß der Maus einfach kein störendes End-'e' anhängt, welches ein weiteres 'e' ziemlich witzlos machen würde. Ich schlenderte über die Luiseninsel, am Belvedere vorbei und um den Karpfenteich herum, wo ich auf einer Brücke die Enten beobachtete, welche dort herumstolzierten, als seien sie selbst die Majestäten des Schlosses. Während dieses beschaulichen Momentes störte mich ein ohrenbetäubendes heiseres Kreischen von oben und ich fragte mich empört, welcher Vogel es hier wagt, so einen Lärm zu veranstalten. Da glitt auch schon mit hungrigem Sabbern elegantem Kreisen ein Reiher herab und ließ sich mitten im Karpfenteich nieder. War ja klar, daß sobald ich dort bin, ebenfalls gleich ein Reiher auftauchen muß.

Charlottenburg 5

Charlottenburg 6

Charlottenburg 4

Charlottenburg 7

Charlottenburg 8

Ein besonderes Highlight des Tages sollte jedoch die Rückfahrt werden. Eine Fahrt von meiner Heimat aus bis nach Charlottenburg dauert genau 45 Minuten mit dem Bus. Und ich muß ehrlich sagen, daß ich lieber 4 Stunden mit der Deutschen Bahn unterwegs bin als 45 Minuten in einem Bus durch Berlin. Auf der Hinfahrt ging es, weil ich einen Sitzplatz hatte, ich wunderte mich aber trotzdem schon über die vielen Fahrgäste mitten am Tag. Auf der Rückfahrt hatte ich erstmal nur einen Sardinenstehplatz und bekam durch die Gespräche mit, daß die S-Bahn nicht fährt. Ach ja, der Bahnstreik, der war völlig an mir vorbeigegangen und mir bisher nur in theoretischer Weise bekannt. Ich hoffe doch sehr für die Charlottenburger, daß der Bus sonst leerer ist. Die arme Busfahrerin drehte irgendwann komplett durch als sie bei jedem Halt erneut sagen mußte, daß die Leute nicht in der Tür stehenbleiben sollen, weil der Bus sonst nicht losfahren kann, und brüllte schließlich ins Mikrophon: "Wenn ick das hier noch einmal sagen muß, dann mach ick nicht mehr weiter! Dann bleib ick hier stehen, bis ick Feierabend habe!"

Die Sardinenstehplätze neben mir hatten mehrere Halbwüchsige inne, die sich die Zeit damit vertrieben, daß einer den anderen von einem Ebookreader 'Deine Mutter'-Witze vorlas. Das ging dann während der halben Fahrt lang so: "Deine Mutter ist so dumm, daß sie sich in einem leeren Zimmer verläuft. Deine Mutter sammelt häßliche Kinder. Deine Mutter sitzt bei Aldi unter der Kasse und piepst. Deine Mutter ist so hässlich, wenn sie aus dem Fenster guckt, wird sie verhaftet. Deine Mutter ist so arm, dass die Enten im Park sie mit Brot bewerfen." usw. usf. Ich machte zwischendurch meine Augen zu und wünschte mir, ich könnte meine Ohren zuklappen.

Nach ungefähr der Hälfte der Fahrt ergatterte ich einen Sitzplatz in einem Viererabteil. Eine ältere Dame mit Kopfhörern platzierte sich schräg gegenüber und neben mir ein junges Mädchen, anscheinend mit ausländischen Wurzeln, wie ich aus den weiteren Vorgängen erfuhr. Sie unterhielt sich angeregt mit einem jungen deutschen Mann, der sie eifrig überreden wollte, eine Petition zu unterschreiben, die er auf seine Homepage gestellt hatte. Aus dem, was ich gezwungenermaßen so mitbekam, schloß ich, daß es wohl um Migration gehen müsse, denn der junge Mann behauptete, fast gekotzt zu haben, als er da und dort ein Kopftuch gesehen habe und war sehr leidenschaftlich in seiner Überzeugungsarbeit. Das junge Mädchen erklärte freimütig, daß sie an keinen Gott glaube und auch nicht an Allah oder sonst wen. Doch das interessierte den jungen Mann nicht. "Darum geht es nicht, Mäuschen! Das ist Religion, es geht aber um Politik!" Die junge Frau schien leicht verärgert darüber, daß ihr Themawechsel nicht aufgegriffen wurde und wiederholte noch einmal nachdrücklicher ihre Anschauungen, worauf die Diskussion heftiger und leidenschaftlicher wurde. Schließlich mischte sich die ältere Dame ein und sagte: "Da hat jeder seine eigenen Ansichten drüber!" Und schien es für eine gute Gelegenheit zu halten, ihre Ansichten selbst kundzutun: "Für mich ist das eine Art Ruhepol." Nun entspann sich eine angeregte Unterhaltung zwischen der jungen Frau und der älteren Dame, während sich der junge Mann zum Ausgang verdrückte. Das Mädchen erzählte, wie toll sie Kirchen finde und daß sie letztens mal in einer gewesen sei. Der Pastor habe so schön geredet, da habe sie echt Pipi in den Augen gehabt. Und ich hatte Pipi in den Augen, als ich endlich mein Ziel erreicht hatte und den Bus verlassen durfte. So viel Enge und Informationsüberschuß bin ich ehrlich nicht mehr gewöhnt.

from ❀Tänzerin zwischen den Welten (...oder ein Blumenkind im Asphaltdschungel) http://ift.tt/1xmwFjk

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