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Sonntag, 11. Februar 2018

Motivationsmörder

Wenn mich mal wieder ein Schlag trifft und ich im besten Sinne niedergeschlagen bin, ist das jetzt irgendwie immer doppelt schwer und fällt mir mehr auf, weil es bei mir jede Motivation mich zu bewegen abtötet. Früher, als ich mich eh nicht viel bewegt habe, hatte ich zwar dann auch nicht viel Lust, etwas zu tun und mir fehlte die Konzentration, aber es war nicht so ein großer Unterschied vorhanden. Und zur Konzentration auf bestimmte Dinge konnte man sich manchmal auch zwingen. Sich zur Bewegung zu zwingen, wenn man depressiv drauf ist, soll ja angeblich gut sein, aber es funktioniert so nicht, weil es nicht nur ein mentales Problem ist, wie bei der Konzentration. Ich merke dann, daß mein Körper ein viel eigenständigeres Leben führt als mein Kopf. Wenn er sich nicht bewegen will, ist das nicht nur mental so, sondern ich merke es direkt in den Muskeln, daß ich weniger Kraft habe und viel schneller erschöpfe. Dasselbe passiert übrigens auch, wenn ich zu wenig geschlafen habe. Das ist dann wie so ein unendlicher Teufelskreis - wenn ich weniger Kraft habe und mein Körper nicht so will wie ich, senkt das meine Stimmung noch weiter, aber je weiter die Stimmung sinkt, um so weniger will mein Körper.

Wenn ich mies drauf bin, weigert er sich, sich zu bewegen. Dabei weiß ich, daß zumindest Yoga mir durchaus gut tun würde, weil es so wunderbar erdet, aber da es viel anstrengender ist, als es für Uneingeweihte aussieht, fällt es schwer anzufangen, wenn die Kraft fehlt. Diese lateinamerikanische Gute-Laune-Musik, zu der man sich dagegen beim Zumba bewegen soll, empfinde ich in solchen Momenten als absolut abartig und nervtötend und ich mag dann auch nicht so tun als ob, weshalb ich zum Tanzen, zumindest in Zumba-Gesellschaft, noch weniger Motivation verspüre. In solchen Momenten verstehe ich auch plötzlich, warum Hip-Hop eigentlich etwas für junge Leute ist, während Menschen meines Alters normalerweise eher beim Tango anzutreffen sind. Beim Tango hat man quasi das Schicksal und den Ernst des Lebens bereits integriert und kämpft nicht mehr dagegen an, sondern schleppt es nun als Eisenkugel an den Füßen mit sich herum. Dieses wilde und wütende Herumgehopse der jungen Leute findet man nur noch albern, genauso wie die sonnenscheingetränkten lateinamerikanischen Heile-Welt-Rhythmen.

Als Kind habe ich ausnehmend gerne getanzt, und zwar zu allem, das mir unter die Finger kam. Ich habe auch grandios alle möglichen Tänze simuliert, die ich gesehen hatte, ohne nur einen Schritt wirklich zu kennen. Und ich hätte mir niemals träumen lassen, daß ich noch jemals im Leben nach meiner Kindheit so viel tanzen würde. Vor zwanzig Jahren, als ich schon im beginnenden Ernst des Lebens steckte, hätte ich zu solch einer Vorstellung gesagt: ja, ja klar - träum weiter! Trotzdem merke ich, daß es mit höherem Alter viel schwieriger ist, in die nötige Unbeschwertheit zu kommen und das, obwohl meine Kindheit nun ganz sicher nicht heil und unbeschwert war, aber man ist irgendwie geübter darin, Dinge zu verdrängen und die Verluste halten sich noch in Grenzen.
Jetzt dagegen habe ich das Gefühl, immer wenn ich ein Ärgernis, eine Katastrophe oder einen Verlust verarbeitet habe und mal zwei Wochen gut drauf bin, wartet schon wieder der nächste Konflikt oder Verlust, so daß kaum noch Zeit zum Luftholen bleibt, und meine Bewegungsmotivation geht da immer mit, und zwar in den Keller. Nun könnte mir das ja egal sein, wenn ich nichts weiter vorhätte. Aber wenn man ein Ziel hat, ist das ständig ein zusätzliches Ärgernis, weil wieder ein neuer Stein im Weg liegt, den man erst wegräumen muß, bevor man weitermachen kann. Und verdrängen ist ja ab einem bestimmten Alter auch unreif und führt eher zu zusätzlichen Problemen und Energieverlusten.
Ich frage mich, wie das Menschen machen, die sich professionell bewegen müssen und damit ebenfalls Ziele verfolgen, die sie nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben können, wie zum Beispiel Bühnenauftritte oder Wettbewerbe. Also entweder brauchen diese ein perfekt funktionierendes Gefühlsmanagement, welches die Auswirkungen auf ihren Körper unterbindet oder sie bringen unglaubliche Energien und Disziplin auf, um die Fassade aufrecht zu erhalten. Das kann aber auf Dauer auch nicht gut sein.

from ❀Tänzerin zwischen den Welten (...oder ein Blumenkind im Asphaltdschungel) http://ift.tt/2G5eBUo

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