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Freitag, 12. September 2014

Die gestohlenen Überzieher

Ein Kriminalstück aus dem Tagebuch meines Urgroßvaters:

Nachdem ich dem Sylvesterabendgottesdienst beigewohnt und meine 3 Neujahrskarten zum Briefkasten besorgt hatte, ging ich mit Eltern und Brüdern zu Pavels, um den Geburtstag des Herrn Pavel und zugleich Sylvester mitzufeiern. Erst nach Mitternacht trennte sich die zahlreiche Gesellschaft.

Am ersten Tage des neuen Jahres wohnte ich dem Nachmittagsgottesdienst bei, in welchem Herr Superintendent Glotzke die Predigt hielt und in derselben die Zuhörer aufforderte, am Anfange des neuen Jahres um dreierlei zu bitten, nämlich um Furcht vor Gott, um Vertrauen auf Gott und um Bekenntniß zu Gott.

Nach der Nachmittagsvereinsstunde des Jünglingsvereins machten wir einen kleinen Spaziergang ins Freie, kehrten dann um und vergnügten uns noch ein Stündchen beim Lotterie- und Dominospiel in unserer Stube. Abends wieder zum Verein, in welchem Herr Elberling außer verschiedenem Anderen die Fortsetzung einer Geschichte über die fünfte Bitte vorlas. Vor und nach dieser Stunde wurde mir noch die Freude zu theil, mit Frl. S. aus W., die zum Besuch ganz unerwartet hierher gekommen war, etwas plaudern zu können; ich lernte dieselbe vor Jahresfrist dadurch kennen, daß sie den gleichfalls von Hr. Elberlg. geleiteten Jungfrauen-Verein besuchte; seit August v. Jr. hat sie im benachbarten W. eine Stelle angenommen.

Am Sonntag den 4. predigte im Vormittagsgottesdienst Herr Sup. Glotzke über die Taufe des Herrn Jesu durch Johannes. Nach dem Essen ging ich zu Ad. Kretschmann und machte dann mit demselben einen Spaziergang (Jed. Thor, Turnpl., Berl.-Thor). Nachdem wir nach dem Nachmittagsverein wieder einen kleinen Spaziergang gemacht hatten, ging ich mit Aug. Holstein zu uns, woselbst der Weihnachtsbaum brannte und meine Brüder nebst Freunden und Freundinnen Affenspiel(?) spielten, wobei jedesmal ein Stück vom Weihnachtsbaum zu gewinnen war. Ich selbst spielte mit A.H. Schach, wobei ich Sieger blieb.

In der Missionsstunde am Abend las Herr Elbg. außer verschiedenen Anderem auch einen Aufsatz von Inspektor Plath vor, welcher bei der mit Humor gewürzten Schreibweise desselben vielfach Heiterkeit veranlaßte, und wir Jünglinge sangen: Herr deine Güte u.s.w. Als ich beim Verlassen des Saales meinen Überzieher, den ich in der Vorderstube gelassen hatte, wieder anziehen wollte, wurde ich zu meinem Schrecken gewahr, daß derselbe, sowie auch der des Joh. Böttker nicht mehr da war; es war klar, sie waren während der Stunde gestohlen worden. Der Verdacht lenkte sich sofort auf Tischler Marwitz’ Burschen Struck und Schuhmacher Krügers Burschen Hasselbarth, welche sich beide am Sonntag heimlich entfernt hatten. Wir gingen in der Erwartung sie vielleicht auf dem Bahnhof noch zu kriegen, zweimal dort hin, aber es reiste mit keinem Zuge einer ab. Am Montag hat Herr Elbg. Anzeige bei der Polizei gemacht, jedoch wird wohl keine Hoffnung auf Wiedererlangung der Überzieher sein. Am Montagabend zur Singestunde des Vereins, am Dienstag Abend einen, jedoch vergeblichen Rundgang bei verschiedenen Trödlern wegen der Überzieher gemacht und Mittwoch Abend zur Bibelstunde gegangen.

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