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Freitag, 20. April 2018

Die Stabkirche von Kvernes

Stabkirchen heißen so, weil sie aus einer speziellen Holzrahmenkonstruktion bestehen, dem Grundgerüst, wobei die Rahmen mit Brettern ausgekleidet sind, die mit Hilfe von Rillen und Nuten befestigt wurden. Im Prinzip ist so eine Stabkirche wie ein Baukastensatz, der richtig zusammengepuzzelt werden muß. Diese Stabbauweise war im Mittelalter vor allem in Nordeuropa weit verbreitet, wurde jedoch außerhalb Norwegens häufig sehr frühzeitig durch Bauten aus Natur- oder Backstein ersetzt. Die ältesten erhaltenen Funde eines Kirchenbaus mit Stabwerkkonstruktion finden sich als Reste im Dorf Greensted in Essex in der Nähe von London. Vollständig erhaltene Stabkirchen aus dem Mittelalter gibt es heute, mit Ausnahme eines Baues in Schweden und einer "geschenkten" und umplatzierten Kirche in Polen, nur noch in Norwegen. Die meisten der Stabkirchen wurden zwischen 1150 und 1350 errichtet. Ab 1350 verwüstete die Pest Nordeuropa und traf Norwegen so hart, daß vermutlich ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung dem Schwarzen Tod zum Opfer fiel. Dadurch stagnierte auch die Bautätigkeit, da es nur noch wenig Bedarf an neuen Kirchen gab. Erst im 17. Jahrhundert erreichte Norwegens Bevölkerungszahl wieder den Stand von vor 1350 und es entstand eine größere Notwendigkeit, alte Kirchen umzubauen, bzw. neue Kirchen zu errichten. Die mittelalterlichen Stabkirchen wurden oftmals abgerissen und durch Kirchen in Blockbautechnik oder aus Stein ersetzt. Gleichzeitig erwachte auch bei immer mehr Menschen das Interesse an der Rettung dieser alten Kirchen. Die letzte Stabkirche wurde um das Jahr 1880 abgerissen. Im Jahre 1905 wurden alle noch erhaltenen Stabkirchen, 29 an der Zahl (von ursprünglich über zweitausend), unter Denkmalschutz gestellt. Heute sind es nur noch 28 Stabkirchen, da eine von ihnen bei einem Feuer abgebrannt ist. Die in Norwegen besichtbaren Stabkirchen sind die letzten Beispiele für eine früher übliche Bautechnik, die es jetzt nicht mehr gibt.

Während unserer Reise besuchten wir die Stabkirche von Kvernes, die dem Møre-Typus zugeschrieben wird. Die Besonderheit sind Mittelstäbe in den Rahmen, sowie durchgehende Deckenbalken. Außerdem wird die Kirche durch Schrägstreben an den Außenwänden gestützt, was an sich sonst nicht üblich war. Man weiß nicht, wieso das geschah, vielleicht ja einfach, damit die Kirche an ihrer ungeschützten Position nicht weggepustet wird. Das genaue Alter der Kirche ist nicht bekannt. Sie wurde 1432 erstmals erwähnt. Die bunten Dekorationen und Malereien stammen übrigens nicht aus dem Mittelalter, sondern aus den Jahren 1630 bis 1640, das Kriegsschiffmodell aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Und das letzte Bild mit dem kleineren Schiff ist natürlich nicht von der Stabkirche, wie der aufmerksame Leser sofort erkennen wird, sondern von der daneben befindlichen, später errichteten Kirche.

Die Stabkirche von Kvernes

Die Stabkirche von KvernesDie Stabkirche von Kvernes

Die Stabkirche von KvernesDie Stabkirche von Kvernes

Die Stabkirche von Kvernes

Die Stabkirche von Kvernes

Die Stabkirche von Kvernes

Die neue Kirche von Kvernes

2 Kommentare:

  1. schneck08 - Di, 19:38
    Interessant - ganz schön alt, die Dinger! Ist nicht üblich, dass sich reine Holzbauten so lange halten. Und der Denkmalschutz schon ab 1905, auch das ist ungewöhnlich. Dank für Ihre kleine Einführung.
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    zuckerwattewolkenmond - Di, 20:22
    Ja,
    es ist erstaunlich. Natürlich wurde in einigen Kirchen im Laufe der Jahrhunderte immer mal etwas ausgebessert und umgebaut, zudem haben die Norweger jede Menge robustes Kiefernholz. Und ich denke mir, daß die Baumeister dieser Kirchen richtig etwas drauf gehabt haben müssen. Es war schon ein Erlebnis, diese alte Kirche zu betreten. Sollte man sich unbedingt antun, wenn man "zufällig" mal in Norwegen ist.

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  2. Wir zwei betraten offenbar denselben Boden ...

    Auch den Atlanterhavsvei durften wirmehrmals befahren und betreten.

    Noch 'ne Tasse Tee, komme hier gar nicht mehr weg.

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