Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich damals zum vereinbarten Stelldichein erschienen bin oder ob ich ihn habe im Schnee warten lassen, aber dafür kommen mir beim Lesen dieses Briefes jede Menge andere Erinnerungen an meine Kindheit. Mein Spielfreund und ich kannten uns von klein auf, sind zusammen zur Schule, sogar in dieselbe Klasse gegangen und haben 18 Jahre zusammen in einem Haus gewohnt. Da wir als Kinder fast täglich miteinander auf dem Hof spielten, von früh am Morgen bis zum Abend wenn möglich, kam es natürlich auch immer mal wieder zu Streit. Meist waren er am nächten Tag vergessen und wir spielten einträchtig miteinander, als wäre nichts gewesen. Doch manchmal war er auch richtig heftig wie einmal, als wir mehrere Tage oder sogar Wochen, unsere Treffen auf dem Hof einstellten, nachdem wir uns gegenseitig mit Eltern, Bruder, Polizei und Feuerwehr gedroht hatten. An einem dieser Tage schaute ich also stattdessen gelangweilt aus dem Schlafzimmerfenster, als ich bemerkte, dass zwei Etagen über mir ein Kopf am Fenster auftauchte und mir Zeichen machte, bzw. zu rief, dass er gleich etwas zu mir herunterlassen würde. In freudiger Annahme dessen, dass wir uns wieder vertragen, wartete ich ab, was da kommen würde und erhielt an einem Bindfaden ein kleines, zusammengerolltes Zettelchen. Als ich es öffnete las ich darauf "Du bist doof!". Das wollte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen und schritt deshalb sofort zur Tat, holte einen Briefumschlag, kritzelte auf die Rückseite des Zettelchens "Selber doof!" und steckte ihn im Umschlag verpackt, in den Briefkasten seiner Eltern. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir dann noch vor uns hingeschmollt haben, aber irgendwann setzten wir unsere Hoftreffen wieder fort.
Eigentlich war es kein Wunder, dass öfters Meinungsverschiedenheiten entstanden, denn wir hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, was Spaß macht und was wir spielen wollen. Ich selbst mochte alle Spiele, bei denen man wie wild in der Gegend umher rennen, sich kloppen, raufen und verstecken kann, wie zum Beispiel Agenten, Spione, Indianer, Detektiv, Polizei u.ä. M. dagegen war pummelig, nicht gerade bewegungsfreudig, sehr verwöhnt und mochte alle Spiele, bei denen es gemütlich zuging, er den Pascha spielen und sich bedienen lassen konnte. Sein Lieblingsspiel dieser Art war "Vater, Mutter, Kind", etwas, was mir selbst nur Gähnen entlockte. Meist setzte ich mich als Bestimmer durch und wir hielten uns an meine Spielvorschläge. Doch wenn ich merkte, dass Streit drohte, gab ich nach, da ich ein eher konfliktscheuer Mensch bin, und wir einigten uns auf "sein" Spiel. Allerdings brachte ich es dann zustande, dass in einem normalen, ruhigen "Familienleben" regelmäßig Mord und Totschlag ausbrachen und eine Katastrophe der nächsten folgte. Der Übergang vollzog sich für M. stets so unmerklich, dass er anfangs noch mitspielte, doch spätestens dann, wenn er sich aus seinem Pascha-Sessel erheben und unser entführtes Kind zurückbringen oder vor dem Haus lauernde Mörder jagen sollte, bemerkte selbst er, dass dies kein normales "Vater, Mutter, Kind" - Spiel mehr war. Hier war der Punkt, wo am häufigsten Streit begann, denn er warf mir nun vor, dass ich das Spiel nicht "richtig" spielen würde und schon war die Scheidung vollzogen.
Trotz dieses ärgerlichen Verlaufs unseres "Familienlebens" bot er mir eines Tages einen Plastikring aus einem West-Überraschungsei an, wenn ich mich mit ihm verloben würde. Ich war zwar ganz scharf auf diesen Ring, hatte aber keinerlei Ambitionen darauf, ihn als meinen Bräutigam zu betrachten, da mich schon die Sticheleien meines Vaters in dieser Hinsicht tierisch nervten und ich das Gefühl hatte, als warteten meine Eltern nur darauf. Schlau wie ich war, nahm ich deshalb den Ring mit einem gemurmelten "Danke." entgegen, ohne jedoch auf den Teil mit der Verlobung näher einzugehen. Ich beschloß den Ring einfach als ein Geschenk zu betrachten. Niemand konnte mich schließlich zwingen, M. zu heiraten. Leider berief sich M. aber danach ständig und in so penetranter Weise auf seine Rechte als Verlobter, welche die Erfüllung aller seiner Wünsche, sowie das Einräumen und Aufräumen seiner Spielzeuge und seiner Spielkiste durch mich einschlossen, dass ich mich irgendwann gezwungen sah, ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Ich machte ihm also klar, dass ich mich nie mit ihm verloben würde und dass er mir den Ring nur geschenkt hätte. Daraufhin forderte er den Ring von mir zurück und da ich Streit hasse, gab ich schließlich nach. Seine Spielsachen habe ich letztendlich trotzdem aufgeräumt, denn er erpresste mich damit, dass ich nicht mehr auf seine Schaukel dürfe, wenn ich es nicht tue. Am Klettergerüst waren zwei Haken angebracht, an denen man eine leichte Holzschaukel anbringen konnte. Die Schaukel dazu besaß allerdings nur er. Und da ich im Gegensatz zu ihm für mein Leben gern schaukelte und nie genug kriegen konnte, blieb mir also gar nichts anderes übrig, aber dafür bekam er dann anderweitig von mir sein Fett weg.
WilderKaiser - Mo, 15:38
AntwortenLöschen*lach*
Ich weiß nicht, ob M. raffiniert oder einfach nur dumm war. :-) Aber irgendwie erinnert mich das auch an zwei gute Bekannte. Wieso nennt er dich eigentlich "Grißlibär"?
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zuckerwattewolkenmond - Mo, 15:44
Wenn ich das wüßte. Keine Ahnung. Ich kann mich selbst auch nicht mehr erinnern, dass er mich Grißlibär genannt hat. *kicher*
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WilderKaiser - Mo, 15:50
Bärenstark!
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zuckerwattewolkenmond - Mo, 15:52
*grins*
Schreibmaschinist_Jon - Mo, 15:55
Grißlibär - Können wir bei diesem Namen bleiben? ;-)
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zuckerwattewolkenmond - Mo, 15:57
Untersteh dich! ;o)
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Schreibmaschinist_Jon - Mo, 15:58
Geht denn wenigstens ein kleines bisschen Grißi oder so? ;-)
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Schreibmaschinist_Jon - Mo, 15:59
Oder Grißibä? ;-)
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Schreibmaschinist_Jon - Mo, 16:00
Oder Grießbrä?
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zuckerwattewolkenmond - Mo, 16:02
Warum nicht gleich Grießbrei? *grrrrrr*
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Schreibmaschinist_Jon - Mo, 16:07
Wer mag schon Grießbrei; aber das Grißlibärli, ja, das mag jeder ;-) *grießbr-ei-nschleim*
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Chutzpe - Mo, 10:16
*hüstel* - ich mag Griesbrei und Mais auch ;-)
Ich fand das damals schon süss und finde es immer noch.