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Dienstag, 14. August 2018

Wespe ohne Unterleib

Bei diesen viel angenehmeren Sommertemperaturen läßt sich auch der Balkon wieder sehr gut nutzen, was ich heute ausgiebig tat. Abgelenkt wurde ich zwischendurch nur von einer seltsamen Kreatur, die auf dem Balkonboden auf dem Rücken lag und mit den Beinen strampelte. Genauer betrachtet stellte ich fest, daß es sich um eine Wespe ohne Unterleib handelte. Erst dachte ich, sie hätte es mit der Wespentaille übertrieben und irgendeinen Unfall gehabt, aber dafür wirkte sie erstaunlich munter und überhaupt nicht verletzt. Nur mit dem Körperschwerpunkt und der Körpersteuerung hatte sie eindeutig Probleme. Denn wenn ich sie auf ihre Beine pustete, lief sie die ganze Zeit auf dem Boden umher und versuchte sogar zu fliegen, schaffte es jedoch nur kurz über den Boden zu fliegen und landete dann regelmäßig dabei auf dem Rücken, von wo sie keine Chance mehr hatte, auf die Beine zu kommen, außer wenn ich ihr Rückenwind gab. Auch eine ziemlich morbide Beschäftigung, auf diese Weise Gott zu spielen. Da fragt man sich insgeheim, ob man nicht selbst ebenfalls nur ein Tierchen ist, das von einem übermächtigen Wesen mal hierhin und mal dorthin geweht wird. Zwischendurch war ich kurz abgelenkt und verlor sie aus den Augen, sie war irgendwohin weggekrabbelt. Ich vermute stark, daß sie wohl einen angeborenen Defekt hatte und deshalb aus dem Nest geworfen wurde.

Dem Nest, das sich ungefähr einen Meter über meiner Bank befindet. Glücklicherweise ist es, wie auch das Nest, das sich vor einigen Jahren mal unter dem Dach befand, ein sehr friedliches Wildwespenvolk. Die interessieren sich weder für mich, noch für meine Nahrungsangebot wie Wassermelone, Eis usw. Das lassen sie alles links liegen. Nur wenn ich unter dem Nest auf der Bank liege, fühle ich mich dauernd beobachtet, weil nämlich aus der Öffnung des Nistkastens, wo sie sich eingenistet haben, immer ein bis zwei Wächterwespen schauen und mich im Blick behalten. Es muß aber trotzdem noch eine andere Art von Wespen sein, denn im Vergleich zu den Dachwespen, die ständig besoffen waren und mit Leichenteilen herumflogen, weshalb ich ihnen den absolut unwissenschaftlichen Namen "kannibalische und saufende Raubritterwespen" gab, scheint in diesem neuen Nest militärische Strenge zu herrschen. Die wirken alle klar organisiert und schmeißen regelmäßig ihre Larven raus, die sie nicht mehr durchfüttern können und wollen. Und solche unglücklichen Wespen mit einem Geburtsfehler werden dort wahrscheinlich ebenfalls nicht als unnütze Esser geduldet.

Im Juli gab es in irgendeinem Regionalsender mal eine ganze Ratgebersendung über Wespen und Hornissen, da die in diesem Sommer, wie es hieß, besonders zahlreich und aktiv sind, weil der Winter so mild war. Es war ein Spezialist eingeladen, der sich mit seiner Organisation darauf spezalisiert hat, Wespen- und Hornissennester umzusetzen. Dazu muß man wissen, daß Wespen und Hornissen unter Naturschutz stehen und die Zerstörung eines Wespennestes mit 1000 Euro, die Zerstörung eines Hornissennestes sogar schon mit 10 000 Euro Strafe geahndet werden kann. Deshalb also dieses Angebot, Nester an speziell dafür vorgesehene Orte umsetzen zu lassen, allerdings natürlich nur, wenn wirklich unbedingt notwendig. Die Moderatorin wollte nun von diesem Herrn immer wieder wissen, was man tun muß, um das Nest loszuwerden, aber der Herr beantwortete alle diese Fragen mit überdurchschnittlich begeisterten Lobpreisungen, wie toll es doch ist, mit Wespen und Hornissen zusammenzuleben. Sie würden sämtliches Ungeziefer wegfangen und es sei doch so schön, ihnen zuzusehen usw. usf. Deshalb hätten sie auch eine lange Warteliste von Anwärtern, die unbedingt ein Hornissennest in ihren Garten umgesiedelt haben möchten. Es ist ja verständlich, daß dieser Herr sein bestes geben wollte, um die allgemeine hysterische Panik und Abscheu vor diesen Tieren zu mäßigen, ein Wort für sie einzulegen und das Wissen zu verbreiten, daß sie besser sind als ihr Ruf und normalerweise nicht aggressiv. Aber nach meiner zweimaligen Erfahrung mit diesen getigerten Untermietern muß ich sagen, sie mögen zwar noch so friedlich sein, aber sie haben mich weder vor Mücken, noch vor den wirklich gemeinen blutsaugenden Ungeheuern bewahrt, weshalb sich meine Begeisterung deutlich in Grenzen hält.

Überhaupt frage ich mich langsam, warum man sich dauernd meinen Balkon, bzw. Blumenkästen zur Fortpflanzung aussucht, seien es nun Wespen, Vögel oder wer weiß, was sich da sonst so vermehrt. Kreuzspinnen haben sich dort ja ebenfalls schon sehr wohl gefühlt. Die haben doch nun wirklich genug Auswahl mit zig Wohnungen und Balkonen und könnten ruhig auch mal zu den Nachbarn gehen. Bei meiner Nachbarin stehen lauter leere Blumenkästen auf dem Balkon und sie war mehrere Wochen nicht zu Hause. Die Tauben hätten dort ein super Nest bauen können. Aber bei der sitzen sie stattdessen immer nur auf dem Dach. Bei mir dagegen wird schon wieder der neu bepflanzte Blumenkasten inspiziert.

Taube

Wespe ohne Unterleib1

Wespe ohne Unterleib2

4 Kommentare:

  1. Oje, das arme Kurz-Wespchen....weia!

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  2. Ich gestehe, Wespen keine besondere Sympathie entgegenzubringen. Irgendwie wirken sie immer aggressiv auf mich und wollen etwas. Und vor einigen Wochen hat mich ja auch eine Wespe auf dem Balkon gestochen. Bekämpfen tue ich sie aber nicht. Wenn sich ein Nest auf meinem Balkon ansiedelt, würde ich ihn vermutlich meiden.

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    1. Die Wespen, die so aufdringlich sind und immer etwas wollen, sind nur eine einzige Art - ich glaube, die gemeine deutsche Wespe oder so (die haben sich anscheinend auf menschliche Nahrung spezialisiert). Es gibt aber noch andere Arten, die sich für menschliche Nahrung gar nicht interessieren und deshalb für Menschen genauso wenig.

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