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Donnerstag, 8. August 2019

Von Einhörnern, dem Weihnachtsmann, einer Hochzeitsnacht und Schwarzen Messen

Wirre Träume hatte ich in der letzten Nacht. Erst öffnete ich nicht die Tür, als es in der elterlichen Wohnung klingelte. Worüber sich eine ehemalige Kollegin ärgerte, weil es nämlich der Weihnachtsmann mit Geschenken war und sie nun die wirklich riesigen und schweren Geschenke von woanders holen und heranschleppen mußte. Danach hatte ich im Traum gerade eine Frau mit kurzen hellbraunen Locken geheiratet und befand mich mit ihr in der Hochzeitsnacht. Wir kamen allerdings nur bis dahin, daß sie hingebungsvoll an meinem Ohr knabberte, als wir bereits begannen, ernste Beziehungsgespräche zu führen. Ich weiß nicht mehr, worum es ging, aber das Wort "Augenhöhe" kam auffällig häufig darin vor.
Wie jetzt noch die Einhörner dazu passen? Als ich gestern mit dem Bus zum Zumba fuhr, befand sich ein Vater mit seinem kleinen Sohn im Bus und während ich ausstieg, bekam ich die Unterhaltung zwischen ihnen mit. Der Vater fragte ihn nach seinen Wünschen für den in Kürze anstehenden Geburtstag und der Kleine wünschte sich ein Einhorn. Der Vater daraufhin: "Hm, ein Einhorn werden wir so auf die Schnelle bis zum Geburtstag nicht mehr organisiert bekommen." Früher war es ja schon pikant, wenn Kinder sich einen Hund, eine Katze oder gar ein Pferd wünschten. Heute soll es ein Einhorn sein. Und wem haben die Eltern das zu verdanken? Der Werbeindustrie! Ist eigentlich ein Wunder, daß Eltern gegen diese noch nicht auf die Barrikaden gehen.

Dieses Gespräch im Hinterkopf hetzte ich zum Zumba, da ich einen Bus später dran war, allerdings hätte ich mir das sparen können. Ich war fünf Minuten zu spät dort, aber wir begannen erst eine Viertelstunde nach der regulären Zeit. Wenn ich das vorher gewußt hätte, dann hätte ganz gemütlich hinspazieren können. Keine Ahnung auf wen oder was der Trainer noch gewartet hat, eigentlich wären genug da gewesen, um normal anzufangen. Und dann gab es gleich noch die Ankündigung, daß es eine Zumba-Pause geben wird. Ich hatte mich ja schon gewundert darüber, daß er selbst bei Hitze anscheinend die ganze Zeit durchgezogen hat, aber dachte mir, ein paar Verrückte gibt es vermutlich immer. Doch seltsamerweise jetzt, wenn die Ferien vorüber sind, die Hitze vorüber ist und die Sonnenstürme sich hoffentlich auch erstmal ausgepowert haben, will er Pause machen. Da bekommt man eher den Eindruck, daß der Trainer keine Lust mehr hat. Ich befürchte, daß ich wohl doch bald geschubst werde, etwas anderes zu suchen oder in die Tanzschule zu gehen, denn wer weiß, ob sie im Verein so schnell einen neuen Trainer finden.
Nach dem Zumba mußte ich mir im Supermarkt ausnahmsweise noch etwas Fertiges zum Futtern holen, da ich zu Hause überhaupt nichts hatte und spätabends nicht mehr anfangen möchte zu kochen. Ich konnte mich nicht entscheiden und kaufte einen großen Pott Kartoffelsalat und eine Packung fertige Reibekuchen. Zuhause konnte ich mich noch immer nicht entscheiden und aß einen riesigen Teller voll Reibekuchen mit dick Kartoffelsalat drauf. Eine ganz neue Zusammenstellung - hatte ich so noch nicht, aber wenn der Hunger groß ist... Nur leider sind jetzt schlagartig die zwei Kilo wieder drauf, die ich mir am Montag und am Dienstag eigentlich abgetanzt hatte.

Die Zumba-Kurse und Zumba-Trainer sind irgendwie auch immer ein gutes Beobachtungsfeld sowohl für Gruppen- als auch für Egodynamiken. Mir ist das früher schon aufgefallen bei den Lehrern an den Schulen, die ich so hatte. Waren sie neu und sehr motiviert, haben sie sich zumindest an den Schulen schnell zu Kontrollfreaks entwickelt, die alles ablehnten, was nicht ihrer Vorstellung entsprach. Sowas kann durchaus auch auf charmante oder spielerische Weise geschehen, so daß es auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Problematischer sind dann schon die Verbissenen, denen man anmerkt, daß sie in allem die Kontrolle behalten wollen. Allerdings funktioniert diese Vorgehensweise eben nur, wenn man viel Macht über die Gruppe hat. Kinder können sich ja meistens nicht aussuchen, ob sie zur Schule gehen und bei wem sie lernen wollen. Wenn man später als Erwachsener Kurse besucht, läuft es schon ein wenig anders. Hier tritt meistens das Gegenteil auf, nämlich daß hochmotivierte Leute (die in den meisten Fällen zudem jung sind) schnell die Lust verlieren, wenn nicht alles ihren Vorstellungen entspricht. Daran erkennt man aber, daß zuviel Ehrgeiz und Motivation eben Egodinger sind, welche auf damit verknüpfte, meist überhöhte Erwartungen beruhen. Und enttäuschte Erwartungen sind quasi der Stachel jeden Egos, der immer wieder ins Leiden führt. Es ist zugebenermaßen auch wirklich schwer, gerade im normalen Leben, bestimmte Erwartungen loszulassen, da kann wohl jeder ein Lied von singen. Aber vor allem sind es diese überhöhten Erwartungen, die wenn sie dennoch eintreffen, sich oft als Seifenblasen entpuppen und dauerhaft gar nicht glücklich machen. Von daher ist es manchmal vielleicht sogar ein Segen, wenn sie nicht erfüllt werden. In einer Gruppe zeigt sich das alles nochmal ganz anders. Denn Gruppendynamiken sind nun mal Gruppendynamiken und kein Kasperletheater. Nach meiner Beobachtung sind die besten Kursleiter tatsächlich die, die mit ihrem Ego zurücktreten und die Energien und Dynamiken einer Gruppe frei fließen lassen und sie bestenfalls dirigieren. Allerdings funktioniert so etwas nur, wenn man sich mit allen unangenehmen Gefühlen, die durch solche Energien auch angetriggert werden können, auseinandergesetzt und das Ego quasi auf gesunde Weise integriert hat, deshalb sind solche Lehrer und Kursleiter auch so selten. Damit meine ich nicht "töten", "überwinden" oder ähnliches, wie man oft in der Esoterik-Szene hört, denn sowas verstärkt das Ego eher (wie man ziemlich gut in dieser Esoterik-Szene beobachten kann), zumal das Ego ja einen Sinn und Zweck erfüllt und zum Überleben gebraucht wird. Um das mit einem Beispiel von mir zu illustrieren: ich hatte früher die Tendenz, wenn andere mies drauf waren, mich dann besonders fröhlich und gut gelaunt zu geben, in dem Bemühen, die allgemeine Stimmung wieder zu heben. Ist an sich nicht unbedingt immer verkehrt, bedeutet aber auch, daß ich versuche, die Energien und die Stimmung um mich herum zu kontrollieren. Allerdings habe ich festgestellt, daß in Wahrheit ich mich dadurch versucht habe, von den eigenen unangenehmen Gefühlen abzulenken, die vermutlich durch Kindheitserinnerungen angetriggert werden. Ich befürchte sogar, daß meine ganze Liebe zum Tanzen, die sich ja als Kind bei mir bereits gezeigt hat, einzig eine Erweiterung dieser Egodynamik ist, zumal ich ja in der Regel die flotteren Varianten bevorzugt habe. Das bedeutet nun aber nicht, daß ich das Tanzen deshalb an den Nagel hängen und nur noch als Trauerkloß herumlaufen muß, wobei ich als Trauerkloß sicherlich auch meine Vorzüge habe. Ich glaube, ich bin inzwischen relativ gut darin zu erkennen, wann ich tatsächlich aus mir heraus gute Laune habe und wann ich mich "verbiege". Natürlich kommt das immer noch vor, aber alleine die Bewußtheit darüber gibt mir die Freiheit zu entscheiden, wie ich mit der Situation umgehen und ob ich auf jeden Trigger sofort reagieren möchte.

Inzwischen lerne ich auch immer mehr die andere Seite des Tanzens zu schätzen, nämlich nicht die des Ablenkens von Gefühlen, sondern eben des Ausdrückens von Gefühlen, halt auch dramatischeren, weil ich sozusagen durch einen seltsamen Rhythmus dazu gezwungen werde. Das geht schon seit einigen Monaten so - ich bekomme immer schlechtere Laune und einen regelrechten Widerstand dagegen, zu Guter-Laune-Musik zu tanzen. Als ich dann das erste Mal darauf mal Depeche Mode hörte, war das wie eine Erlösung. Ich dachte "Das ist es!" und bekam sofort wieder Lust zu tanzen. Ich nenne es "Schwarze Messen feiern", wenn ich denn Drama brauche und zu entsprechender Musik tanze. Das Paradoxe daran ist, daß allein eine Schwarze Messe mit düsterer Musik ausreicht, um sofort erneut gute Laune zu bekommen und tatsächlich danach freiwillig zu Guter-Laune-Musik zu tanzen. Das macht das Ganze aber irgendwie auch schwierig. Denn wenn ich in meinem "Drama-Modus" bin, denke ich immer, ich sollte entsprechende Choreos zum Tanzen haben, damit es nicht langweilig wird, aber sobald ich dann wieder in der guten Laune bin, habe ich stattdessen sofort einen inneren Widerstand, diesmal gegen düstere Musik, so daß ich halt nicht wirklich dazu komme, mich mit dramatischeren Choreos zu befassen. Dazu kommt, daß man dafür sowieso viel mehr Platz braucht, den ich in meiner Küche gar nicht habe. Mein Bedürfnis nach einer Schwarzen Messe liegt jetzt gerade so in einem zweiwöchentlichem Rhythmus, keine Ahnung, ob das nun ein dauerhafter Rhythmus bleibt. Aber ich finde, daß Tanzen nicht die schlechteste Variante ist, Drama auszuleben, (welches ja ebenfalls, zumindest ohne "richtigen" Grund, Ausdruck einer Egodynamik ist) - vielleicht sogar die beste überhaupt. Im wirklichen Leben braucht man es so viel wie die Krätze.

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