"Doch es gab Verzögerungen: Staatsminister Alexander Graf Walewski, ein unehelicher Sohn Napoleons I., bestellte Wagner zu sich in sein Palais und forderte ein opulentes Ballett für >Tannhäuser< und zwar nach der Pause im zweiten Akt. Begründung: Die einflussreichen und überwiegend adligen Mitglieder des Jockey-Clubs pflegten bis um 10 Uhr abends zu dinieren und erst nach der Pause in die Oper zu gehen - einzig um das Ballett zu erleben! Von solchem Banausentum verstört, erklärte Wagner, er lasse sich vom Jockey-Club keine Vorschriften machen.
Daraufhin Walewski: Der Jockey-Club ist mächtig genug, eine Oper zu vernichten. Außerdem sei so gut wie jede Balletteuse die Mätresse von einem oder mehreren Herren des honorigen Jockey-Clubs. Eine delikate Angelegenheit also, das Ballett im zweiten Akt. Wagner blieb unerschütterlich. Dann werde er die Aufführung abblasen!
Nun wurde Walewski ernst: Die Aufführung von >Tannhäuser< sei vom Kaiser befohlen. Also werde sie stattfinden, notfalls mit dem Ballett eines anderen Komponisten!
Wagner musste nachgeben - und fand seinen Seelenfrieden schnell wieder, denn er kam zu der Überzeugung, dass die Venusberg-Szene im ersten Akt ein Schwachpunkt des Werkes sei und durch eine fulminante Ballettszene bereichert werden könnte. Und wenn schon, dann wollte er gleich "etwas Unerhörtes, vom gewöhnlichen Ballettwesen gänzlich Abliegendes" bieten. Er plante ein Bacchanal, wie es die Bühne noch nie erlebt hatte, ein Liebesfest im Venusberg mit tanzenden und ineinander verschlungenen Faunen, Nymphen, Sirenen, Bacchantinnen, Grazien, Satyrn, Nereiden. Sie feiern ekstatische Orgien, während Tannhäuser schläft, den Kopf im Schoß der Venus, die auf einem reichem Lager hingestreckt liegt. ...
...Die Musik des Bacchanals war vom >Tristan<-Stil bestimmt, und somit ergab sich ein Stilbruch im >Tannhäuser<, ein faszinierender Stilbruch freilich und somit eine Bereicherung, eine partielle Überhöhung, denn diese Kompositionstechnik war Wagner noch nicht gegeben gewesen zur Zeit, als er >Tannhäuser< komponiert hatte."
("Richard Wagner", eine Biographie von Walter Hansen)
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