Gestern hatte ich eine Premiere. Ich hatte nämlich das allererste Mal eine Online-Schulungs-Konferenz - in Form meines Tanzkurses im Onlineformat. Tatsächlich habe ich sowas noch nie gemacht, noch nicht einmal privat geskypt. Ich bin kein Freund von Videotelefonie. Als wir angefragt wurden, ob wir Interesse hätten, den Kurs online weiterzuführen, habe ich innerlich gleich abgewinkt, denn mir war sehr wohl klar, daß sowas höchstens ein schwacher Ersatz für einen echten Tanzkurs sein kann. Online-Konferenz mag ja für alle sonstigen Fächer ein super Werkzeug sein, aber nicht für das Tanzen, vor allem, wenn man zuhause gar keinen Platz hat. Aber die Kursleiterin meinte, sie würde alles so abändern, daß es am Platz ist, und ich dachte bei mir, wenn das jetzt die neue Standardkommunikationstechnologie ist, sollte ich die Gelegenheit beim Schopf packen und mich mal damit befassen. Deshalb habe ich also trotzdem vorerst zugesagt, um mich quasi auf diesem Gebiet weiterzubilden und sowas mal auszuprobieren, damit ich nicht völlig von gestern bin.
Nun ja, es fing schon damit an, daß ich einen tierischen Muskelkater habe, also so richtig übel, da ich ja eigentlich immer irgendetwas mache und am Tag vorher der Meinung war, ich sollte einfach mal ein bißchen Breakdance versuchen. Betonung liegt auf "versuchen", denn ich kann kein Breakdance und es sieht bei mir auch völlig uncool aus. Doch sowas hat mich ja noch nie abgehalten. Was mich früher davon abgehalten hat, war eher die körperliche Unfähigkeit, aber ich merke, daß ich, je kräftiger und mobiler ich werde, plötzlich Lust auf Bewegungen bekomme, an welche ich früher nicht einmal im Traum gedacht hätte. Ich glaube, daß einem der Körper unbewußt signalisiert, was man sich zutrauen und beginnen kann, ohne sich komplett zu überfordern und dann so entsprechende Impulse an das Gehirn sendet. Zumba hat mich dafür fit gemacht, beim Contemporary nicht völlg auf die Schnauze zu fallen und Contemporary hat mich an den Boden herangeführt, bei welchem ich früher eine ausgeprägtere Grenze hatte, da es mir immer zu schmerzhaft und zu anstrengend war. Aber ich habe festgestellt, daß sich der Körper erstaunlich schnell anpaßt und daß es tatsächlich schnell einfacher wird. Meine Knie tun mir z.B. auf dem Boden kaum noch weh, bzw. ich merke es gar nicht mehr, und inzwischen wächst sogar Hornhaut drauf. Und je leichter mir die Bewegungen auf dem Boden fallen, um so weniger weit weg ist auch Breakdance. Und ehrlich - Breakdance ist echt der krasseste Sport ever. Es waren ca. zehn Minuten, immer mit etwas Pause zwischern den Flows, und ich habe eigentlich zum größten Teil nichts anderes getan, als um meine Arme zu laufen. Aber meine Muskeln fühlen sich an, als hätte ich zwei Stunden lang im Fitnessstudio von Kopf bis Fuß Gewichte gestemmt. Also wenn ich mich entscheiden muß, ob ich mich bei Pilates und Hanteltraining zu Tode langweile oder lieber breakdance, dann wähle ich doch letzteres, zumindest wenn es unter Ausschluß der Öffentlichkeit bleibt.
Meine Motivation hielt sich also erstmal ob des Katers in Grenzen, allerdings ist der Vorteil von so einer Online-Session, daß man sie je nach eigenem Bedarf ausdehnen kann. Also habe ich gleich eine Stunde Entspannung vorgeschaltet, liegen auf der Fakirmatte mit Meditationsmusik und Faszienmassage der Triggerpunkte. Danach fühlt man sich super entspannt und auch Muskelkater ist sofort weniger schmerzhaft. Das Online-Training selbst bestätigte dann allerdings meine Skepsis: auf dem Handydisplay mit dem querformatigem Stream der Kursleiterin konnte ich fast gar nichts erkennen - im Grunde nur ein sich bewegendes Strichmännchen, da wir aber mehr oder weniger Sachen machten, die wir schon kennen, konnte ich mir dann ausmalen, was das sein soll. Zudem glaube ich, daß sie in den vielen kleinen Kästchen ebensowenig genau sehen kann, was wir da eigentlich fabrizieren, mal abgesehen davon, daß Kameras auch immer etwas verzerren. Bei meinem Notebook reicht für so eine lange Zeitdauer leider das Akku nicht (wobei man sich schon fragt, warum Handys inzwischen mehrere Tage inklusive Videofunktionen laufen und Notebooks immer noch nach spätestens einer Stunde runter sind, bei Streaming noch schneller), aber so viel besser wäre das sowieso nicht, weil sie ebenfalls weit weggehen muß von der Kamera, damit alles zu sehen ist. Und mein Tablet ist so uralt, daß sich die Zoom-App darauf gar nicht installieren läßt. Ich habe schon überlegt, ob ich mir nun noch ein neues Tablet leisten muß, aber eigentlich ist das totaler Schwachsinn, so lange ich nicht zuerst den nötigen Platz als Basis für einen Online-Tanzkurs habe. Tatsächlich gab es schon die ersten Probleme bei den normalen Übungsflows am Platz. Um ins tiefe Pliè mit ausgesteckten Armen zu gehen, muß ich mich immer zur Seite drehen und mich dann wieder irgendwie zurück mogeln. Tendu auf beiden Seiten gehen auch nicht ohne Ortsveränderung. Bei einer Bewegung mit ausgestreckten Armen bin ich voll an den Kühlschrank geknallt und war wieder raus. Zudem lief meine Siphonflasche aus auf meiner Anrichte, bildete eine große Wasserlache und das Wasser tropfte dann die ganze Zeit auf den Boden, was meine Konzentration nicht gerade förderte. Die quäkende und abgehackte Musik aus der Handyübertragung ist fürchterlich. Ich bezweifle, ob man, selbst bei genug Platz, mit diesen ständigen Aussetzern und Verzerrungen überhaupt in einen tänzerischen Flow kommen kann. Und dann hat die Kursleiterin versucht, mit uns unsere bisher eingeübte Choreo zu tanzen, wenn auch leicht abgewandelt, wegen des fehlenden Platzes. Aber der Platzbedarf bei so weit ausholenden Armbewegungen und diversen Drehungen ist immer noch zu hoch. Als sie meinte, sie mache dann alles am Platz, dachte ich ja, sie denkt sich eine entsprechende neue Choreo aus. Für mich bedeutete das, daß ich mich immer seitlich hinstellen und seitlich auf den Bildschirm schauen mußte, was mich komplett in der Choreo verwirrt hat. Denn weiterhin muß man zusätzlich noch aufpassen, daß man nirgendwo gegendonnert. Den anderen ging genauso wie mir, daß nicht viel Tanzfeeling aufkam, auch wenn sie anscheinend mehr Raum haben als ich. Wenn ich die Choreo für mich alleine übe, muß ich wenigstens nur darauf aufpassen, mich nicht zu stoßen, aber nicht auch noch auf einen Bildschirm schauen oder versuchen, abgerissene und aussetzende Anweisungen zu verstehen. Außerdem kann ich selbst die Pausen in der Choreo bestimmen, in denen ich die Ausgangsstellung für den nächsten Abschnitt verändere. Fazit: Für das Tanzen ist so ein Online-Meeting wirklich ein Witz.
Da ich jetzt schon davon ausgehen kann, daß wir wohl kaum im Dezember noch dazu kommen werden, diese Choreo richtig zu tanzen, bevor der Kurs zuende ist, weiß ich nicht, wieso ich das dann zu Hause im Online-Training "zusammenstottern" soll, wenn ich damit sowieso nie wieder etwas anfangen und es halt zu Hause nicht mal mit wirklichem Vergnügen tanzen kann. So gesehen ist dieses Online-Training für mich eigentlich komplett nutzlos, weil ich dabei nichts mache und machen kann, was mich wirklich weiter bringt. Alleine bewege ich mich genug, mache Balanceübungen, Yoga usw. und das viel entspannter, ohne winzigen Bildschirm und mit schönerer Musik. Dazu brauche ich also kein Online-Training. Letztendlich buche ich ja Tanzkurse, damit ich dort etwas bekomme, das ich alleine und zu Hause nicht kriegen kann. Und dazu dann noch eine Endentspannung auf dem harten und kalten Steinfußboden in meiner Küche. Da kenne ich zu Hause aber bessere Arten, mich zu entspannen. Trotzdem bin ich hin- und hergerissen, ob ich den Kurs wirklich abbrechen soll. Zum einen möchte man natürlich mit der Kursleiterin solidarisch sein - obwohl sie gestern noch extra meinte, wir sollen uns nicht wegen ihr dafür entscheiden, und zum anderen denkt man sich, besser ein Termin in der Woche, an welchem man mal andere Gesichter sieht, wenn auch nur auf dem Bildschirm, als gar nichts. Wir haben zum Schluß noch ein paar Ideen ausgetauscht, was man sonst so machen könnte. Vielleicht ist es ja doch möglich, aus diesen für das Tanzen sehr begrenzten Voraussetzungen etwas Befriedigendes zu gestalten. Ich habe der Kursleiterin gesagt, daß es mir unter diesen Umständen völlig wurst ist, was sie für einen Tanzstil macht - ich muß nicht auf Biegen und Brechen am Contemporary festhalten - Hauptsache es ist etwas, womit man auch zu Hause etwas anfangen und Spaß haben kann. Und Möglichkeiten zu tanzen gibt es ja nun wirklich wie Sand am Meer, wobei ich nicht weiß, ob sie die alle kann. Indischer Tanz (also den Tempeltanz meine ich, Bollywood würde teilweise wohl ebenfalls gehen) oder japanischer Tanz zum Beispiel sind sehr statisch und bestehen hauptsächlich aus ausdrucksstarken Hand- und Armbewegungen. Aber vermutlich wäre sie damit als Nichtinderin und Nichtjapanerin etwas überfordert.
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