Wenn ich diesen Brief am 11.11. bekommen hätte, hätte ich ja geglaubt, es ist ein Scherz. Aber nein, es ist kein Scherz, sondern ganz normaler Bürokratiewahnsinn. Man schrieb mir über die Energiesicherungskurzfristmaßnahmenverordnung oder auch Kurzfristenenergieversorgungsmaßnahmenverordnung. Die Reihenfolge des Wortungetüms darf man sich wohl selbst aussuchen. Ich rieche schon den freiheitlichen Wind mir um die Nase wehen. Als ich einen ersten schnellen Blick auf das Schreiben warf, dachte ich erst, sie hätten die Leerzeichen vergessen, bis ich feststellte, daß es so sein muß. Ich frage mich, wie wohl andere Länder ihre Verordnungen nennen, wo man die Wörter nicht so schön zusammensetzen kann wie im Deutschen.
Nachdem ich gestern im Tanzkurs endlich wieder richtigen Auslauf hatte, habe ich bessere Laune. Da können mir weder Wortungeheuer noch andere Ärgernisse viel anhaben. Obwohl es von letzterem erneut einiges gibt, merke ich, daß ich gelassener bleibe. Natürlich kann ich noch nicht alles mitmachen, aber glücklicherweise dürfen wir neuerdings im Kurs ziemlich viel improvisieren und eigene Choreoteile basteln, da habe ich also freie Auswahl bei dem, was geht. Eigentlich sollen wir uns beim Improvisieren Wasser oder Lehm vorstellen, aber an sowas kann ich gar nicht denken, ich denke immer nur: "Platz, so viel Platz! Yeah!" Wenn ich überhaupt denke, denn das mache ich beim Tanzen eher nicht, außer bei Choreos, und genau dafür schätze ich das Tanzen am meisten, daß man dabei nicht immer denken muß. Dann ist das Tanzen auch am besten, wenn man den Kopf weitgehend ausschalten kann.
Wir sind ja meist viel zu viel im Kopf unterwegs den ganzen Tag. Zumindest bei mir ist das so. Ich frage mich, ob das an der Merkur-Pluto-Konjunktion in meinem Horoskop liegt, daß meine Verstand ständig beschäftigt sein und sinnlose Fragen stellen muß. Wahrscheinlich schätze ich genau deshalb um so mehr das Tanzen und auch zur Zeit das Zeichnen und Malen, während ich das Schreiben inzwischen weniger mag, einfach weil man dabei viel zu lange im Kopf verharrt. Wenn man im Verstand ist, ist mir aufgefallen, daß man sich fast ausschließlich entweder mit der Zukunft, mit der Vergangenheit oder anderen Leuten beschäftigt, manchmal auch indirekt mit Fragen wie: Was passiert, wenn ich das oder das mache? Soll ich dieses oder jenes tun? Wie sieht es aus, wenn ich dies tue? Was denken andere darüber? Wird das oder das eintreten? Was passiert, wenn es eintritt oder nicht eintritt? Was will ich morgen tun? Was will erreichen, haben etc. pp. Aber das Leben findet im Jetzt statt und ist schöner, wenn ich bei mir bin, während ich zuviel Denken eher als ein "Außer-Mir-Sein" empfinde.
Natürlich ist der Verstand ziemlich nützlich, wenn es darum geht, bestimmte Probleme und Aufgaben zu lösen, für kluge Planung und Organisation zu sorgen, und dafür, sich mitzuteilen. Für das Schreiben von Blogbeiträgen unersetzlich. Und auch für das Entwerfen und Merken von Choreos. Man kann alles kopfbetont betreiben, wenn man das möchte, auch das Tanzen oder Bildgestaltung. Vermutlich sind es aber das Tanzen und Malen, das ich schätze, weil es die Dinge sind, die kleine Kinder mit als erstes machen - sie tanzen zu Musik, bevor sie überhaupt sprechen können, und sie kritzeln mit Hingabe überall, wo es nur geht. Daß sie mit dem unzufrieden sind, was sie kritzeln, kommt erst viel später. Wenn man sich diesen spielerischen und intuitiven Zugang wieder eröffnet, ist das wie eine Auszeit vom Gestern, Morgen und unnützen Erwartungen. Allerdings ist es für Erwachsene gar nicht immer so einfach, dorthin zurückzukehren, da wir über Jahrzehnte konditioniert wurden - besonders intensiv heutzutage auf Leistung, auf Ausdauer im Funktionieren und Treten im Hamsterrad, oder aber wenn nicht, dann wenigstens auf Genialität oder künstlerische Produktivität. Darauf herauszuragen und besser zu sein. Ich finde es interessant, daß ausgerechnet das Tanzen mich wieder an einen kindlichen Zugang herangeführt hat, während ich durch meine sehr frühe Ausbildung in bildhafter Gestaltung schon als Kind quasi in die verstandesbetonte Erwachsenenwelt auf diesem Gebiet katapultiert wurde, was mir zwar eine gewisse Anerkennung verschaffte, aber die Freude blieb dabei auf der Strecke. Vermutlich liegt es daran, daß man als Kind diese Erwachsenenwelt noch viel zu ernst und wichtig nimmt, schließlich ist man ja von Erwachsenen abhängig. Seit ich es jetzt aber wie beim Tanzen mache, einfach wild herumkritzel und -kleckse, ohne darüber nachzudenken, was das werden soll und ob es überhaupt etwas wird, macht es wieder Spaß. Dennoch fällt es mir beim Tanzen komischerweise leichter.
Auf dem Nachhauseweg entdeckte ich an einer Laterne den Anschlag für einen neu gegründeten Tango-Verein. Schöne Sache. Tango und Flamenco gehören quasi zu meinen Lieblings-Folkloretänzen, um das mal so zu nennen, allerdings haben beide auch etwas an sich, das ich nicht mag. Beim Flamenco ist es das Klatschen, das ich hasse, - Stampfen ist super, aber Klatschen - nee, bitte nicht. Und beim Tango stört mich, daß man dafür einen Partner braucht. Auf YouTube gibt es einen Kanal, der eine Fusion zwischen Modern Dance und Flamenco darstellt. Das gefällt mir sehr gut, gerade weil auch weniger geklatscht wird. Modern Dance und Tango müßte doch eigentlich ebenfalls machbar sein.
Keine Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Die Kommentare werden im Tresor gebunkert und bei Gefallen freigeschaltet. ,-)