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Donnerstag, 22. Dezember 2022

Neurotraining und komplexe Systeme

Auf YouTube schaue ich mir immer mal wieder gerne Videos mit sogenannten Neurotricks an. Das sind Körperübungen, die durch die Bewegungen der Augen, Gleichgewicht oder Propriozeption, also die Wahrnehmung des eigenen Körpers, besonders effektiv sein sollen. Ich bin mir nicht schlüssig, wie effektiv das wirklich ist. Wenn ich diese Sachen ausprobiere, merke ich meist keine spektakulären Unterschiede. Größere Unterschiede fallen mir eher bei der mentalen Einstellung und deren Veränderung auf. Trotzdem finde ich dieses Thema der Zusammenhänge im menschlichen Körper, der ja ein extrem komplexes System ist, wo auf jeder Ebene alles ineinander übergreift (und eben sogar auf der seelisch-geistigen), sehr spannend. Es ist erstaunlich, daß im Sport diese Komplexität bereits gesehen wird, während man allgemein in der Medizin noch immer gerne "Einzelteile repariert". Aber seit ich von einer Studie gelesen habe, wundert mich das jetzt nicht mehr. Es ist viel mehr so, daß diese Studie bestätigt, was ich bereits ahnte, nämlich daß die meisten Menschen überfordert sind, wenn es um komplexes Denken geht, und vermutlich dadurch Komplexität entweder nicht erkennen, oder aber sie ignorieren, um vermeintlich einfache Lösungen zu finden:

"Psychologen haben mehrere Studenten als Testpersonen mit dieser virtuellen Computerstadt konfrontiert. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, wie diese ein komplexes Problem - in diesem Fall das Regieren - bewältigen würden. Jeder der ausgewählten "Bürgermeister" durfte das Schicksal der Stadt 20 Jahre lang bestimmen, wobei die Amtszeiten im Computer natürlich weitaus schneller abliefen als in Wirklichkeit. Wie meisterten die Versuchspersonen ihre Aufgabe?

Den meisten unterliefen schon zu Beginn schwere Fehler: Sie achteten nur auf gegenwärtige Ereignisse, anstatt auch über künftige Entwicklungen nachzudenken. Fast noch schlimmer wog, dass die wenigsten in der Lage waren, die Neben- und Folgewirkungen ihrer Handlungen in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen.

Die meisten Menschen, so das Ergebnis der Psychologen, denken zu geradlinig, um komplexe Aufgaben bewältigen zu können. Sie folgen stur der Schritt-für Schritt-Methode und sind nur bestrebt, ein Problem nach dem anderen zu lösen. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf Teilbereiche, was sie aber der Lösung des Gesamtproblems nicht näher bringt. Die Testpersonen dachten offenbar, kleine Ursachen führten zu kleinen Wirkungen und große Ursachen hätten auch große Wirkungen. Eine einfache Regel besagt aber: Je komplexer die einzelnen Bestandteile  eines Systems werden und je mehr dabei zu berücksichtigen ist, desto mehr ist ein Ganzes nicht lediglich die Summe seiner Teile....

....Untersuchungen haben ergeben, dass es mit der herkömmlichen Vorstellung von Intelligenz wenig zu tun hat, ob wir ein komplexes System steuern können oder nicht. Gefragt sind vielmehr Fähigkeiten, die vom IQ unabhängig sind. So sollten wir mehrere Informationen auf einmal berücksichtigen und in ihrem zeitlichen Verlauf beobachten können. Wir sollten auch bereit sein, die eigenen Vorstellungen darüber, wie etwas funktioniert, immer wieder neu zu überprüfen. 

Beziehen wir uns auf den "Bürgermeister" des erwähnten Computerspiels, so ist für seine Eignung in diesem Amt entscheidend, ob er aus Fehlern lernen kann oder nicht. Einigen Testpersonen gelang dies recht gut, andere erzeugten eine Katastrophe nach der anderen. Sie versuchten ihr Glück mal auf die eine, mal auf die andere Art und gerieten dadurch immer wieder in Panik. Geduld und Selbstsicherheit waren für den Erfolg entscheidender als der IQ.

Ein alarmierender Befund dieser Versuche: Derjenige, dem es nicht gelang, die Probleme der Stadt in den Griff zu bekommen, neigte nicht nur dazu, die Verantwortung von sich wegzuschieben, sondern versuchte auch, sich zu rechtfertigen. Er führte den Mißerfolg auf eine einzige Ursache zurück und vertrat diese Behauptung dann auch stur. 

Zur Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, gehört auch die Bereitschaft, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, Informationen einzuholen, um sich vorsichtig dem angestrebten Ziel zu nähern. Dabei sollte man immer wieder nach neuen Lösungsansätzen suchen, um der Vielfalt der Informationen gerecht zu werden.

Um ein komplexes Problem lösen zu können, fehlte fast allen Testpersonen die Fähigkeit, global, d.h. in großen Zusammenhängen, zu denken und ein Problem als Netzwerk ineinander greifender Teile zu verstehen. Ein komplexes System setzt stets voraus, dass man in einem bestimmten Augenblick mehrere Entscheidungen gleichzeitig treffen muss, deren Folgen teilweise gegenläufig sind. Besonders schwierig wird es dann, wenn die Auswirkungen einer Entscheidung nicht direkt, sondern zeitverzögert auftreten." (aus >>"Besser denken, besser leben")

Hier waren es die komplexen Systeme Wirtschaft und Gesellschaft, aber Umwelt und organische Systeme sind ebenfalls komplex. Und anscheinend helfen auch keine computergesteuerten Modellrechnungen weiter, um der Komplexität Herr zu werden, denn wenn man sich mal die Modellrechnungen in den Pandemiejahren anschaut, haben die ja meist versagt und konnten nicht mal die Komplexität eines Virus richtig einschätzen. Jede Modellrechnung ist halt nur so gut, wie ihr Programmierer und dessen Denken (sowie dessen Absichten). Um so schlimmer, wenn man dann an solchen Modellrechnungen hängt, wie an einem Tropf, statt das eigene Überdenken und Beobachten dabei nicht zu vergessen.

Letztens sah ich ein Video, in welchem es hieß, daß es das Innenohr kalibriert, wenn man über den Bauch rollt. Also mein Innenohr muß bestens kalibriert sein, ich rolle nämlich total gerne über den Bauch. In unserer Choreografie im Contemporary-Kurs, durften wir ja zwei Sequenzen selbst entwickeln, und ich sorgte dafür, daß ich so richtig schön viel über den Bauch rolle, was auch mit lädiertem Knie gut geht. Und ich dachte, ich sehe bei unserem Abschlußvideo, das wir in der letzten Unterrichtseinheit aufgenommen haben, endlich mal, wie es mit gestreckten Beinen aussieht. Na ja, Pustekuchen. Bei der Videoaufnahme standen dann plötzlich, anders als sonst, alle dicht gedrängt in der Mitte herum, und ich mußte erst dezent auf dem Boden hin- und her robben, um überhaupt eine freie Bahn zu finden. Da ich keine Augen im Hinterkopf habe, zog ich die Beine nun doch an, um niemanden zu treffen. Also sah es wieder genauso aus, wie wenn ich in meiner Küche rolle, wo ich die Beine sowieso immer anziehen muß. Nur mit dem Unterschied, daß ich in der Küche nicht so viele Rollen hintereinander machen kann. 

Netzfund

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