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Donnerstag, 9. November 2023

Gedächtnistest und Kriegstänze

Gestern wurde im Contemporary-Kurs mal wieder nach dem Alter gefragt und mir wurde bescheinigt, daß ich mit 53 auch als 35jährige durchgehen würde. Ich glaube, das war ein bißchen übertrieben, aber ich habe festgestellt, daß ich zwischen all den Dreißigern und Vierzigern im Kurs als Älteste definitiv das beste Gedächtnis besitze. Und zwar inklusive Kursleiterin, denn ich war die einzige, die nach drei Wochen Unterrichtspause noch die gesamte Choreo von vorne bis hinten konnte. Obwohl ich diesmal nichts davon aufschrieb. Ich hatte ja schon ein bißchen an mir gezweifelt, weil es mir jetzt häufiger passiert, daß ich Limette oder Zitrone auspresse und dann vergesse, in den Tee zu geben. Aber das hat wohl andere Gründe. Ich wünschte, meine Kondition wäre genauso gut wie mein Gedächtnis. Dabei habe ich in der Pause durchaus Grund-Ausdauer trainiert, aber irgendwie scheint das bei mir nichts zu bringen. Nur wenn ich wie blöd hüpfe und springe bis ich völlig außer Atem bin, also hochintensiv trainiere, spüre ich Verbesserungen. Aber da meine Ferse gerade muckert, will ich sie mit so etwas nicht übermäßig belasten und machte deshalb nur moderate Bewegungen. 

Schließlich darf man heutzutage nicht mehr krank werden. Sagt meine Mutter und da hat sie recht. Mit Facharztterminen ist es genauso schlimm wie mit Terminen beim Bürgeramt. Sechs Monate und länger Wartezeit, häufig werden auch gar keine Patienten mehr angenommen. Und weil Kliniken weiter geschlossen und reduziert werden, wird es immer schwieriger, dort im Akutfall eine zeitnahe Behandlung zu ergattern. Immerhin ein guter Grund mehr, sich von allen Krankheiten und Verletzungen so weit wie möglich fernzuhalten, wenn man denn noch die Wahl hat - muß man ja auch mal positiv sehen. Meine Mutter ist es ebenfalls, die mich jetzt immer mit Informationen über die letzten Tanzsendungen im Fernsehen versorgt. Seit ich erzählte, was wir dort im Contemporary-Kurs machen und die Videos gezeigt habe, schaut sie sich alles in der Art an und sagt mir dann: "Das war genauso wie du erzählt hast und wie in deinem Video. Eigentlich ist dieser moderne Tanz viel interessanter als so ein Ballett." Neulich zum Beispiel lief Tanztheater zu Bachmusik, allerdings zu den Cello-Suiten und gegen Cello habe ich leider eine Aversion. Ich bevorzuge Bach doch lieber per Orgel oder Klavier. Vorgestern berichtete sie mir über eine Doku zum Thema Tanzen in Kuba, die sehr interessant gewesen ist. In der Mediathek machte ich diese ausfindig:

https://www.3sat.de/kultur/dance-around-the-world/dance-around-the-world-kuba-112.html

Zuerst fiel mir auf, daß ich schon lange nicht mehr zu "Let's dance" von David Bowie getanzt habe. Es ist aber auch gar nicht so einfach dazu zu tanzen, weil der Song so einen harten, mitreißenden Beat hat, dieser jedoch in sehr getragenem Tempo daherkommt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie seltsam das Tanzen in der Discothek sich dazu anfühlte. So als würde man gleichzeitig Bremse und Gaspedal treten - etwas gestaut. Der eine afrikanisch anmutende Tanz im Film wirkt wie ein Kriegstanz. Kriegstänze erkennt man immer an angsteinflößenden Gesichtern. Schließlich zelebrieren sie die animalisch-instinkthafte Form der Aggressionsabwehr. Kommunikation durch den Körper - beim Balztanz: "Komm doch näher." Beim Revierverteidigungstanz: "Komm mir ja nicht zu nahe!" Die Maoris in Neuseeland haben es dabei zu einer besonders einzigartigen Tanzform gebracht, die sogar die Zunge mit einbezieht, welche in grimassenhaften Gesichtern herausgestreckt wirkt. Eigentlich wird doch die Zunge beim Tanzen viel zu wenig benutzt! 

"Die Realität von Kuba besteht aus leeren Geschäften, viele Menschen, denen das nötigste zum Leben fehlt und Straßen voller Häuser, die langsam verfallen... ...Es fehlt in Kuba an fast allem. Doch der Tanz boomt. Er wurde zur Staatskunst erhoben... ...Tanz ist in Kuba mehr als ein schönes Ereignis. Ballett ist hier Kunst für das ganze Volk." Die Eintrittskarten kosten nur wenige Cent, die Ausbildung für Tänzer ist kostenlos. Na ja, trotzdem ein sehr viel attraktiveres Angebot aus der Realität zu flüchten als Cannabis für alle. So ein bißchen kubanisches Flair hatte ich in den letzten Tagen ebenfalls, denn ich traf innerhalb von drei Tagen gleich zwei auf der Straße singende Menschen! Zwei auf einmal - sowas kommt in Deutschland wirklich nicht oft vor. Bei meinem Spaziergang fuhr ein Lieferando-Fahrer auf dem Rad an mir vorbei und sang laut irgend ein arabisches Lied und gestern auf dem Nachhauseweg stapfte ein Schwarzafrikaner vor mir her, der völlig versunken war in eine Melodie, die er vor sich hin summte. Ganz nüchtern versteht sich. Schon seltsam, daß ich ständig singende Menschen treffe, andere dagegen Messerstecher. 

Bilder 005b

2 Kommentare:

  1. Man ist so alt wie man sich fühlt, sagt eine Binsenweisheit – noch besser freilich, wenn man auch so aussieht. Kompliment ;)

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  2. Hi hi, stimmt, wenn das Aussehen nicht mit dem gefühlten Alter übereinstimmt, kann das ziemlich verwirrend sein - aber auch, wenn man jünger aussieht als man sich fühlt.

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