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Montag, 25. Dezember 2023

Dürre im Regenwald

Als wir den Fluß Manso überquerten, wo Fawcett vom Rest der Gruppe getrennt und Raleigh von Zecken gebissen worden war, sah ich immer wieder aus dem Fenster. Ich erwartete, bald die ersten Vorboten eines unheimlichen Dschungels zu erblicken. Stattdessen aber sah die Gegend eher aus wie Nebraska - endlose Ebenen, die sich zum Horizont erstreckten. Als ich Taukane fragte, wo denn der Wald sei, sagte er nur: "Weg."

Einen Augenblick später deutete er auf eine Flotte stinkender Diesellastwagen, die beladen mit 20-Meter-Stämmen in die entgegengesetzte Richtung fuhren. "Nur die Indianer haben Respekt vor dem Wald", sagte Paolo. "Die Weißen fällen alle Bäume." Die Waldgebiete von Mato Grosso würden in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt, wovon ein Großteil dem Anbau von Sojabohnen diene. Allein in Brasilien hat das Amazonasbecken während der letzten vier Jahrzehnte (von 2010 aus gerechnet) über 700 000 Quadratkilometer seines ursprünglichen Waldbestandes verloren - ein Gebiet größer als Frankreich. 

Trotz aller Bemühungen der Regierung, diese Abholzung einzudämmen, wurden im Jahre 2007 innerhalb von nur fünf Monaten über 7000 Quadratkilometer vernichtet, eine Fläche größer als der US-Bundesstaat Delaware. Zahllose Tiere und Pflanzen, darunter viele, deren möglichen Nutzen für die Medizin noch nicht einmal erforscht war, sind verschwunden. Die Hälfte des Regens, der im Amazonasbecken niedergeht, entsteht durch eigene Feuchtigkeit, die in die Atmosphäre aufsteigt, sodass sich durch die Rodung auch die gesamte Ökologie der Region verändert. Immer häufiger treten Dürren auf, die wiederum das komplexe, geschlossene System des Dschungels gefährden. 

Regelmäßig werden Indianer von ihrem Land vertrieben, versklavt oder ermordet....

....Vanite hob einen Stock auf und zeichnete eine Karte in den Lehmfußboden. "Hier ist Afasukugu", sagte er. "Es liegt bei einem Wasserfall."

"Es liegt außerhalb des Parks", ergänzte Vajuvi, der Häuptling. "Aber es ist ein heiliger Ort."

Ich erinnerte mich, dass Fawcett in einem seiner letzten Briefe erwähnt hatte, dass er von den Indianern von einem heiligen Wasserfall in jenem Gebiet erfahren habe, in das er zu reisen hoffte. 

Vanite fuhr mit seiner Geschichte fort: "...Doch als ich dorthin gelange, ist der Wasserfall zerstört. Sie hatten ihn mit dreißig Kilogramm Dynamit gesprengt. Der Ort war einst wunderschön, doch nun existiert er nicht mehr. Ich fragte einen Mann, der dort arbeitet: 'Was machst du hier?' Er sagt: 'Wir bauen einen Staudamm zur Stromerzeugung.'"

"Das ist in der Mitte des Flusses Kuluene", sagte Vajuvi. "Das gesamte Wasser von dort fließt direkt in unseren Park und in unser Territorium."

Vanite regte sich zusehends auf und schien den Häuptling nicht zu hören. Er sagte: "Ein Mann der Regierung von Mato Grosso kommt in den Xingu und sagt zu uns: 'Macht euch keine Sorgen. Dieser Damm wird euch nicht stören.' Und er bietet jedem von uns Geld an. Ein Häuptling von einem anderen Stamm nahm das Geld, und jetzt kämpfen die Stämme gegeneinander. Mir bedeutet das Geld nichts. Der Fluss fließt hier seit Tausenden von Jahren. Wir leben nicht für immer, aber der Fluss ist ewig. Der Gott Taugi schuf den Fluss. Er gibt uns Nahrung und Medizin. Wir haben keine eigene Quelle und trinken das Wasser direkt aus dem Fluss. Wie sollen wir ohne ihn leben?"

Vajuvi sagte: "Wenn sie gewinnen, wird der Fluss verschwinden und mit ihm unser ganzes Volk."

Plötzlich erschien unsere Suche nach Fawcett und der Stadt Z trivial - hier ging es um die Existenz eines ganzen Stammes."

(aus >>"Die versunkene Stadt Z" von David Grann)


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