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Sonntag, 4. Februar 2024

Social Media Therapie

Neulich bekam ich mit, daß es jetzt wohl schon Menschen gibt, die sich von einer Social-Media-Sucht heilen, indem sie einen Youtube-Kanal starten, um so endlich selbst etwas zu "machen", statt anderen nur dabei zuzusehen. Und auf diese Weise noch mehr Content produzieren, der wieder andere in der Sucht hält und ihnen Zeit raubt. Wow! Nicht daß ich etwas gegen wirklich guten Content hätte, Youtube-Videos können tatsächlich viel Inspiration bieten und manchmal ist man in Situationen, in denen ein bestimmtes Video ganz genau das ist, was man gerade brauchte, aber es wird bei diesem Überangebot immer schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen, mal ganz abgesehen von dem Clickbait, dem man sich manchmal schwer entziehen kann, selbst wenn man genau weiß, daß dies Clickbait ist. Am meisten frage ich mich aber, wenn ich so etwas höre, ob gewisse Generationen, die bereits als Kind mit Social Media aufgewachsen sind, überhaupt noch wissen, wie geil es sein kann, etwas ganz für sich alleine zu tun. 

Damit meine ich vor allem den Prozess, denn daß fast jeder gerne die Ergebnisse von solchen Prozessen teilt, halte ich für ziemlich menschlich und normal. Zumindest wenn man sich über das Ergebnis freut, denn Freude macht ja bekanntlich großzügig, selbst wenn dann die Freude manchmal eher einseitig bleibt. Aber trotzdem ist das Ergebnis und das Teilen eigentlich nur das i-Tüpfelchen, während dieser Prozess des Alleinseins mit sich selbst und des Abtauchens in einen Flow das Schönste daran ist. Bei dem Video, auf das sich der vorherige Absatz bezieht, handelt es sich um ein Bildkunst-Video, in welchem die junge Dame sich nun selbst beim Malen filmt (was für sie sicherlich schon ein guter Fortschritt ist), während sie früher anderen nur zugeschaut hat und bei Insta herumscrollte. Aber, man höre und staune, man kann Malen und viele andere schöne Dinge sogar tun, ohne einen Youtube-Kanal betreiben zu müssen! Da Kunst ja ein Thema ist, das mich interessiert, klicke ich gerne mal das eine oder andere Video dazu, was sich in meinen Empfehlungen auf der Startseite widerspiegelt. Dabei fällt mir auf, daß es wie Sand am Meer Videos gibt, in denen sich jemand beim Malen oder Basteln filmt. Das muß auch nicht verkehrt sein, wenn es dann kurz und knackig mit den wichtigsten Informationen zusammengeschnitten wird - so etwas wäre dann mehr ein Tutorial. Aber solche Videos sind eher selten, stattdessen gehen diese Videos oft länger als eine halbe Stunde und manchmal über Stunden, teilweise mit Sprache, wo über eigene Empfindungen, Gedanken geredet wird oder Allgemeinplätze losgelassen werden, manchmal auch ganz ohne Sprache. Und es gibt immer genug Zuschauer, die sich mit so etwas gerne ablenken. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, mich beim Malen oder Basteln zu filmen und dabei vielleicht noch zu jemandem zu reden. Das würde ja den besten Teil kaputt machen, weil ich dann auf mehrere Dinge fokussiert sein muß und sowas stört einen Flow, selbst wenn die Kamera nur einfach mitläuft. Ich hätte ebenfalls keine Lust, mir das hinterher noch alles angucken und schneiden zu müssen. Das nervt mich ja schon an meinen Tanzvideos, und die sind relativ kurz. 

2023 nahm ich haufenweise Tanzvideos auf und ich habe immer noch ein Video von meinem Tanzjahr 2023 in Bearbeitung, welches ich eigentlich veröffentlichen wollte, aber ich habe einfach keine Zeit dazu, bzw. ehrlicher gesagt: will sie mir nicht nehmen. Denn vor dem Computer zu sitzen und kreativ zu sein ist eine ganz andere Nummer, als ohne Computer kreativ zu sein. Man hat ständig Wartezeit, während der Computer verarbeitet, wird dauernd visuell abgelenkt, räumt nebenbei das Postfach auf, klickt hier und dort oder zupft in der Wartezeit an den Fingern herum. Es ist einfach nicht dasselbe, wie wenn man ohne Ablenkung kreativ oder auf sich selbst fokussiert ist. Tanzvideos nehme ich trotzdem auf, aber nur deshalb, weil ich beim Tanzen eben nicht sehe, was ich mache. Beim Malen und Basteln sehe ich aber alles und das reicht mir völlig. Doch auch bei den Tanzvideos habe ich mir vorgenommen, mal ein bißchen weniger zu bunkern und da finde ich es fast schon praktisch, daß ich zur Zeit eh nicht viel tanze, da meine Ferse nicht richtig will, sondern andere Workouts mache, die ich dann aber nicht filme. Mit sich alleine kreativ zu sein und sich mit sich selbst zu überraschen, ist tatsächlicher spannender als jede Überraschungsbox, aber nichts geht über dieses unheimlich befriedigende Gefühl, wenn man seinem Körper Aufmerksamkeit geschenkt, ihn in Bewegung gebracht und genau im richtigen Maß angestrengt hat. Unbezahlbar! Vermutlich befriedigt es deshalb so sehr, weil der Körper genau dafür mal ausgedacht wurde. Und ich stelle außerdem fest, wenn man sich die Zeit nimmt, um sich ganz darauf einzulassen, steigert das nochmals unglaublich die mentale Zufriedenheit. 

Ich mache manchmal nur schnelle Workouts zwischendurch, mal zehn Minuten, mal zwanzig Minuten, in denen kurz die wichtigsten Baustellen bearbeitet werden, während man mit dem Kopf teilweise schon woanders ist. Manche Tage sind einfach so, daß nicht mehr möglich ist. Aber es lohnt sich, sich dafür an anderen Tagen wieder mehr Zeit zu nehmen und voll auf sich fokussiert zu sein. Schon durch die gute Laune, die das macht, profitiert man doppelt und dreifach. Und auch das ist eine tolle Zeit, die man alleine mit sich selbst haben kann. Natürlich gibt es auf Youtube jede Menge mitgefilmte Workout-Videos, die mir ebenso gerne in die Empfehlungen gespült werden, aber wenn mich so ein Video anspricht, spule ich es einfach durch von einer Übung zur nächsten und merke mir nur einzelne Übungen, die ich mal ausprobieren möchte. Das geht relativ schnell. Mir fällt es zur Zeit wirklich schwer, meine tolle Zeit mit mir selbst der Videobearbeitung für das Internet oder langatmigen Videos anderer zu opfern. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich meine tolle Zeit für diesen Blogbeitrag opfern möchte. 

Und ich glaube, das ist wahrscheinlich die wirkungsvollste Therapie gegen Social Media-Sucht, nämlich etwas zu tun, das man wirklich genießen kann, was langfristig Freude gibt und dauerhaft so tief befriedigt, daß man es nicht mehr gegen irgendwelche kurzfristigen Dopaminschübe auf Social Media oder andere Ablenkungen eintauschen möchte. Denn diese Bedürfnisbefriedigungen halten nur kurz vor (ist im übrigen auch bei der Kaufsucht und vielen anderen Süchten so) und wenn man keine anderen Freuden mit Sinn in seinem Leben hat, wird man dauerhaft unzufrieden, egal wieviel man sich von dieser Unzufriedenheit wieder versucht durch Klicks und Neuigkeiten abzulenken. Diese Unzufriedenheit stammt ganz einfach daher, daß man nicht mehr mit sich selbst und seinen echten Bedürfnissen verbunden ist. Ein guter Startpunkt, um mit den wahren Bedürfnissen erneut in Kontakt zu kommen, ist es, sich bewußt und aufmerksam mehr zu bewegen und seinen mit unglaublichen Fähigkeiten ausgestatteten Körper "durchzuprobieren". Darauf wartet der nur! So, nun habe ich diesen Beitrag doch geschrieben, extra für euch, und ich hoffe, daß ich damit nicht zu viel eurer wertvollen Zeit geraubt habe, denn ich nehme zwar keine langen Videos auf, aber beim Schreiben fällt es mir schwer, mich kurz zu fassen. 

Collagen 010a

11 Kommentare:

  1. B ei Ihnen lässt man gerne seine Zeit. Im übrigen sehe ich das genauso wie Sie. Noch ein Tipp: Man kann die Widergabegeschwindigkeit von Videos erhöhen. Sehr nützlich bei langen Videos.

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    1. Das freut mich. Und danke für den Tipp, kannte ich aber schon. Man muß da ein bißchen herumprobieren, was zur Sprechgeschwindigkeit paßt. Ich verzichte dann meistens lieber.

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    2. Kennen Sie auch schon ChatGPT-Zusammenfassung, die Erweiterung für Chrome? Die fasst You Tube-Videos in einem Text zusammen.

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    3. Oh, das klingt gut! Werde ich mir mal anschauen. Danke!

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    4. Hm, man muß sich leider für dieses ChatGPT einloggen. Wie steht es denn da mit dem Datenschutz?

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  2. Es ist empfehlenswert, sich social media-freie Zeitfenster zu erschaffen. Das merke ich in meinem Atelier, wo ich zwar von einem alten Notebook, das nur als Musik-Abspielanlage dient, eine Liste von WLANS gezeigt bekomme, die aber nicht nutzen kann, weil sie nicht offen sind. Einmal dachte ich, ich hätte einen dauerhaft ungesicherten Hot Spot, aber es stellt sich raus, das ist ein Grundig-Fernseher, der nicht verbunden werden kann. Ich war dann sogar erleichtert, weil ich merke, dass mir dieser starke Filter gut tut, für viele Stunden auch in der Hinsicht abgeschottet zu sein. Das Herangehen an das Gewerkel ist noch konzentrierter und gleichzeitig selbstvergessener. Genau richtig.

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    1. Social Media-freie Zeitfenster habe ich ebenfalls, aber aus reiner Willenskraft. WLAN hätte ich im Prinzip immer. Ich habe es jedoch so eingestellt, daß es am Abend zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch abgestellt wird und ich nicht in Versuchung komme, zu spät ins Bett zu gehen, weil ich zu lange irgendwo herumscrolle. Leider passiert mir das mit dem verzögerten Schlafengehen immer noch manchmal, doch dann, weil ich gerade an irgendetwas male oder bastle und nicht damit aufhören kann. Die Zeit verfliegt ja auch immer so schnell! Eine Zeit lang hatte Youtube die Videoanzeige für mich wegen eines Werbeblockers gesperrt. Irgendwie fand ich das direkt gut und habe keine Anstalten gemacht, das zu ändern. Die wichtigsten Videos konnte ich ja trotzdem über den Fernseher streamen, dann natürlich mit Werbung, aber sowas mache ich eher selten und nur bei Videos, von denen ich weiß, daß die für mich interessant sind. Leider haben sie diese Sperre wieder rückgängig gemacht, vielleicht weil sie gemerkt haben, daß es mehr in meinem als in ihrem Sinne ist. *lol*
      Für andere Social Media habe ich eine Erweiterung, die mir für jeden Tag eine von mir eingestellte Zeit läßt und danach die Social Media-Seiten automatisch sperrt. Da ich sowieso gar nicht sehr aktiv bin auf diesen Seiten, reichen mir täglich zehn Minuten, wenn überhaupt. Denn selbst, wenn man nicht sehr aktiv ist und sich eher langweilt, hat dieser Scrollmechanismus auf den Seiten eine teuflische Anziehungskraft. Vielleicht, weil man denkt, wenn man lange genug scrollt und kein Ende in Sicht ist, kommt noch mal etwas interessantes.

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  3. Noch eine Möglichkeit ist FreeTube, das wie You Tube aussieht und zu benutzen ist, aber man kann es so einstellen, daß die Abos als Startseite stehen und man keine Empfehlungen sieht.

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    1. Sehr spannend, aber ich finde dies FreeTube nicht. Ist das eine Erweiterung?

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    2. Ein Windows-Programm. Einfach mal googeln.

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    3. Ach so, danke, ich hatte nur bei den Erweiterungen und Apps geguckt.

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