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Sonntag, 5. Mai 2024

Na hoppla!

Inzwischen ist sogar schon etwas von den kleinen Hungerleidern zu sehen im Nistkasten. Ich habe gleichzeitig im Ausguck erscheinend drei gezählt, aber das muß noch nicht bedeuten, daß nur drei im Nest sitzen. Die Eltern schleppen jetzt immer größere Larven und Würmer heran. Da sie damit stets über mich hinwegfliegen, wenn ich unter dem Nistkasten liege und lese, hoffe ich insgeheim regelmäßig, daß sie diese nicht auf mich fallen lassen, aber bisher haben sie alles erfolgreich in den Schnäbeln ihrer Sprößlinge versenkt. Fliegen sie weg, nehmen sie auch gleich die Vogelkacke aus dem Nistkasten im Schnabel mit. Also wirklich mit, und nichts davon landet auf meinem Balkon. Sehr angenehme, höfliche und saubere Gäste im Vogel-Hotel! Heute hatte sich mal ein Babyfresser, also eine Krähe, herangepirscht. Da ich aber dort saß, hat sie vor Schreck gleich wieder den Abflug gemacht und ließ sich auf dem Dach nieder. Als sie dann laut krächzte, war es schlagartig im Nistkasten mucksmäuschenstill. Da haben sie wahrscheinlich gut auf ihre Eltern gehört. 

Und im Nachwort zum Roman "Das Phantom der Oper" von Gaston Leroux (bezahlter Link) fand ich im Nachwort von Richard Alewyn eine sehr schöne Beschreibung des Mystery-Genres:

"Wenn Gaston Leroux (1868-1927) in seinem »Phantom der Oper« mit ebenso großem Behagen wie Geschick es darauf anlegt, das Sicherheitsgegfühl zu untergraben, so schöpft er dabei aus einer modernen, wenn auch nicht mehr ganz jungen literarischen Strömung, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht aufgehört hat, die europäische Romanlandschaft zu befruchten und für die es nur in der englischen Sprache eine treffende Bezeichnung gibt: mystery story.  Deutschland hatte zu ihren Anfängen mit Schillers »Geisterseher« und später mit den unheimlichen Erzählungen Tiecks, E. T. A. Hoffmanns und Wilhelm Hauffs dazu beigetragen. In England werden die Romane von Walter Scott und Charles Dickens, in Frankreich die von Victor Hugo, Honoré de Balzac und Alexandre Dumas von ihr unterspült. Aus ihr hatte sich in Amerika bei E. A. Poe, in England bei Wilkie Collins, in Frankreich bei Emile Gaboriau die strengere Kunstform des Detektivromans ausgesondert, in der auch Leroux seine ersten Triumphe gefeiert hatte, bevor er mit dem »Fantôme de l’Operá« in die breiteren Gewässer der »Mystères« zurückkehrte... 

...Immer handelt es sich dabei um Geheimnisse, die sich lange Zeit, ja bis zum Ende, jeder anderen als einer übernatürlichen Erklärung hartnäckig widersetzen, stets sind sie verbunden mit tatsächlichen oder vermuteten oder befürchteten Verbrechen, die die geistige Ungewißheit um die physische Unsicherheit vermehren und das Geheimnisvolle um die Dimension des Unheimlichen erweitern. Gewiß wird am Schluß durch erschöpfende Enthüllungen alles Unerklärliche erklärt. Aber wenn die Vernunft des Lesers damit beruhigt wird, so wird doch auch zugleich seine Phantasie eigentümlich ernüchtert...

...Es ist gewiß kein Zufall, daß der Geschmack am Geheimnisvollen und am Unheimlichen in der Literatur genau in dem geschichtlichen Augenblick einsetzt, in dem in der geistigen Welt durch die Aufklärung und im praktischen Leben durch die bürgerliche Zivilisation mit dem Unerklärlichen und dem Unberechenbaren aufgeräumt und ein bisher nicht gekanntes Maß an Ordnung und Sicherheit hergestellt worden war...

...E. A. Poe, selbst ein Klassiker des Unheimlichen hat einmal im Hinblick auf deutsche Schauergeschichten gesagt, sie stammten nicht aus Deutschland, sondern aus der Seele."

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