Ein Engel erhörte meinen Wunsch und führte mich aus der Wahlschlammschlacht hinaus. Dies begab sich so: Nachdem ich gelesen hatte, daß David Lynch verstorben ist, suchte ich nach einem alten Eintrag über ihn auf meinem Blog. Dabei fand ich eine kurze Notiz aus 2015 über eine angekündigte dritte Staffel Twin Peaks, was ich damals sehr begrüßte, allerdings, nun ja - ich würde nicht sagen, daß ich sie verschlafen hätte. Geschlafen habe ich in dieser Zeit nun wahrlich nicht. Ich vermute eher, daß mir diese Ankündigung vor lauter heftigen Krisen und wegen des neuen Hobbys Tanzen, welches ich mit viel Motivation, aber noch mehr körperlichen Baustellen begann, irgendwie entfallen ist. Und im normalen Fernsehen lief die Staffel wohl auch nicht, was dazu führte, daß ich sie bisher noch nicht gesehen habe. Nach dieser erschütternden Feststellung bestellte ich mir sofort die DVD-Box, sogar recht preiswert bei Mediamarkt. Und dann tauchte ich ab in das Twin Peaks-Universum. Dort bin ich immer noch. Der Ordnung halber schaute ich mir vorher abermals die ersten beiden Staffeln an. Und wie es sich gehört, wenn man nach Twin Peaks reist, nahm ich zwar kein Dictafon mit für meine Aufzeichnungen, aber ein Skizzenbuch. Ein Skizzenbuch mit grauen Seiten, mit welchem ich bisher nicht so viel anfangen konnte, da es nicht gut für die Verwendung mit Wasser geeignet ist und ich in der letzten Zeit eine Abneigung gegen kleinteiliges Zeichnen und Skizzieren hatte. Mir war mehr nach großzügigen Darstellungen. Das ist immer noch so, ich hatte aber auch Lust, einiges von dieser Reise zeichnerisch festzuhalten, weshalb ich mir breite Pigmentblöcke schnappte, um "schnelle" Skizzen zu machen. Schnell in Anführungszeichen, weil ich leider kein so schneller Zeichner bin, wie ich gerne wäre.
Inzwischen habe ich bereits einige Folgen der dritten Staffel gesehen. Es ist natürlich genial, wenn in Twin Peaks im roten Raum Agent Cooper angekündigt wurde, daß man sich nach fünfundzwanzig Jahren wiedersieht und die Serie dann tatsächlich nach fünfundzwanzig Jahren fortgesetzt wird. Das macht diese Kluft der vielen Jahre sehr real, auch im ganzen Drumherum der Serie - andere Film- und Tonqualität, real gealterte Gesichter und David Lynch schlachtet das zusätzlich aus, indem er Witze über Mobiltelefone reißt und seiner eigenen Figur ein moderneres Hörgerät verpaßt, mit welchem er endlich nicht mehr so laut schreien muß, aber bei Hintergrundgeräuschen die Krise kriegt. Man merkt es ebenfalls der Geschichte und dem Ambiente an, daß viel zwischendurch geschehen ist, denn man sieht zwar einiges von Twin Peaks wieder, aber die Story selbst bietet auch Anklänge aus "Lost Highway", Inland Empire" und "Mulholland Drive". Dafür vermisse ich den Wind in den Bäumen, bzw. Douglastannen. Der gehörte eigentlich unbedingt zu Twin Peaks dazu. Ich sah auf YouTube ein Interview mit David Lynch, der ja seine Karriere als Maler und Zeichner begann. Er erzählt darin, wie er einmal im Garten saß und malte, dabei den Wind die Bäume bewegen sah und dachte, solche Bewegungen müßte man malen können. So ist er dann zu den bewegten Bildern, zum Film, gekommen.
Die neue Staffel hat weniger von einer parodierten Seifenoper wie früher und ist dafür mehr Science Fiction - wenn Agent Cooper zum Beispiel die Realität der Erde durch eine Steckdose hindurch erneut betritt, quasi wiedergeboren wird, und nicht durch den Vorhang, der die Welten voneinander trennt, und durch den er in der zweiten Staffel in den roten Raum hineinverschwand. Und dann landet er nicht mal bei seinem echten Doppelgänger und hat komplett vergessen, wer er einmal war. Alles noch viel rätselhafter als in den ersten beiden Staffeln. Mich erinnert die Geschichte ein bißchen an die schamanische Überzeugung, daß Menschen Seelenanteile verlieren können, die dann in anderen Welten "festhängen". Arte veröffentlichte eine sehr gute Dokumentation über das Werk von David Lynch. Darin sagt jemand, "wer gerne alles mundgerecht serviert bekommt, kann mit den Filmen von Lynch nicht viel anfangen. Man muß wirklich sehr, sehr viel arbeiten, um alle Lücken zu füllen.". Da ich erst seit Twin Peaks Fan bin, also als das Rätselhafte begann, gehöre ich wohl zu denen, die gerne arbeiten. Ich würde es aber nicht verallgemeinern. Wenn ich Filme anschauen, die keine Höhepunkte an Humor, Intellekt oder Kreativität bieten, also recht langweilig für mich sind, bin ich eher genervt, wenn vieles offen bleibt und ich nicht weiß, was los ist. Wenn ich aber auf dem Weg genug Leckerbissen serviert bekomme, dann rätsel ich auch gerne. Am meisten beschäftigt mich zur Zeit die Frage, ob Agent Cooper jemals wieder der Alte wird.
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