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Dienstag, 19. März 2019

Die Villa von Heinz Rühmann

Meine Mutter hat mir eine neue Wohnung besorgt, allerdings war mir das eine ganze Weile entfallen, bevor ich sie mir jetzt das erste Mal anschaue. Ich bin ziemlich entsetzt, denn es handelt sich um eine halb verfallene Villa mitten in der Stadt, die an einer Ecke total eingebaut ist. Wie stellt sich meine Mutter das vor? Bei so einem Teil muß doch fast alles repariert werden. Das Dach, die Wände usw. Und dann ist die Villa noch nicht einmal besonders schön. Sie hat gerade mal fünf Zimmer, der kleine Garten, den es früher gegeben hat, ist von allen Seiten zugebaut, der Vorgarten inzwischen bepflastert und stockdunkel, weil sich davor Geschäfte angesiedelt haben und auch seitlich Mauern stehen. Als ich mir die Villa von innen anschaue, gehe ich zuerst ins Bad, wo mir schon direkt eine Fensterscheibe entgegenkommt. Diese ist gar nicht richtig verkittet, sondern nur lose in das Fenster eingesetzt. Vor dem Fenster im Wohnzimmer befindet sich kaum dreißig Zentimeter entfernt die Fassade eines "Männerclubs". An der anderen Ecke schaut man gleich auf ein Bordell. Das besondere an den Zimmern ist jedoch, daß sich darin noch alle Sachen des Vorbesitzers befinden und wie ich erfahren habe, war dies Heinz Rühmann.

Insgeheim spiele ich mit dem Gedanken, die Villa abzulehnen, da es einfach zu viel Arbeit ist und nicht das, wo ich leben möchte. Aber es macht durchaus Spaß, in den alten Besitztümern von Heinz Rühmann herumzustöbern und wenn ich schon mal hier bin, will ich mir das nicht entgehen lassen. Natürlich ist alles ziemlich wüst, da bereits andere hier herumgestöbert haben. Überall liegen und hängen Kleidungsstücke herum. Irgendwo steht ein alter kastengroßer Schallplattenspieler. Die Wände sind mit Regalen voller Bücher überzogen. Und besonders von diesen Regalen kann ich mich nicht losreißen. Mein Bruder drängelt zum Aufbruch und meint, wir sollten so spät hier nicht mehr sein, das könnte auffallen, aber mir ist das egal. Also geht er und ich bleibe allein in der Villa, packe einen Einkaufsbeutel aus und lasse ein paar Dinge darin verschwinden, z.B. ein Zeugnisheft von Heinz Rühmann. Ich denke mir, es wäre doch ziemlich interessant zu sehen, wie Heinz Rühmann in der Schule war und vielleicht ist es sogar etwas wert. In einem Regal befinden sich nur Zeitschriften und ganz unten sind große Schubkästen, in welche Zeitschriften alphabetisch mit Reitern wie in eine Kartei einsortiert wurden. Aber alte Zeitschriften interessieren mich nicht. Ich gehe zum anderen Regal mit den Büchern. Inzwischen ist es nachts um 11 Uhr. Plötzlich erscheint jemand in der Wohnung. Es ist der Makler, der mir die Hand gibt und sich überhaupt nicht wundert, was ich hier noch mache. Stattdessen setzt er sich an einen alten Schreibtisch und erzählt mir seine Sorgen mit irgendwelchen Gerichtsprozessen. Erst höre ich zu, doch als er beginnt, mir seinen Arm dauernd um Schulter und Taille zu legen, entziehe ich mich diesem wieder und habe es nun doch eilig zu gehen. In Ruhe stöbern kann ich hier jetzt sowieso nicht mehr.

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