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Donnerstag, 23. Januar 2020

Theorie und Praxis

So langsam fühle ich mich ein bißchen wie der Ansager vom Dienst im Contemporary-Kurs. Das liegt daran, daß ich mir gleich nach den allerersten Malen begonnen habe, die Ballettpositionen anzuschauen und in Form von Eselsbrücken zu merken, was anscheinend ziemlich gut gelungen ist. Ich dachte mir damals, da die Kursleiterin ständig nach irgendwelchen Positionen fragt, ist es von Vorteil, diese "Theorie" gleich abzuhaken, damit der Praxisfluss nicht zu sehr gestört und unterbrochen wird. Allerdings bin ich da anscheinend ziemlich alleine, denn wenn die Kursleiterin jetzt nach den Positionen fragt, bin ich es meistens schlussendlich, die antwortet. Im letzten Semester hatte ich es einmal nicht gehört, daß die Kursleiterin eine Frage stellte und alle standen und guckten und guckten und standen und ich dachte nur ungeduldig bei mir: Was is nun? Warum tanzen wir nicht? Gerade wegen dieser lästigen Pausen würde ich am liebsten sofort antworten, aber ich halte mich erst höflich zurück, um anderen ebenfalls eine Chance zu geben, oder vielleicht auch, damit es nicht zu auffällig wird. Doch gestern passierte, was passieren mußte - meine Tarnung ist aufgeflogen. Die Kursleiterin stellte eine Frage und sofort zeigte eine Mittänzerin auf mich mit der Feststellung: "Du weißt es!" Daß ich Lehrer anbettle irgendetwas mitmachen zu dürfen und am liebsten immer sofort selbst auf die Fragen antworte, das kenne ich so von mir aus der Schulzeit nicht. In der Schule hatte ich zwar meist gute Zensuren, war allerdings ziemlich faul und unbeteiligt im Unterricht. Die guten Zensuren sind mir quasi ohne viel Zutun passiert. Wenn ich jetzt auf meine alten Tage auf einmal zum Streber mutiere, liegt das aber nicht daran, daß ich gute Zensuren bekommen möchte, denn Zensuren gibt es zum Glück gar keine, sondern der Grund ist einzig und alleine, daß ich so schnell wie möglich in das Vergnügen des Tanzens kommen und so wenig wie möglich darin unterbrochen werden möchte. Und wenn ich jetzt so an die Schulzeit zurückdenke, erinnere ich mich auch daran, daß ich doch im Grunde immer froh war, wenn es irgendeinen Streber gab, der den Lehrer beschäftigt gehalten hat, damit ich in Ruhe träumen konnte.

Aber in der Theorie war ich schon immer besser als in der Praxis und das erst recht beim Tanzen. Von daher muß ich mir sicher keine großen Sorgen machen. Gerade diesmal werde ich wohl bei einigen Sachen in der Choreo passen müssen, da ich noch nicht den Körper eines Regenwurms habe. Die eine Sache ist tatsächlich sowas, wo ich sonst, wenn ich das in einer Youtube-Choreo sehe, immer sofort weiterklicke und denke: "Ja, ja, macht mal alleine." Das andere schwierige, das wir gestern gemacht haben, kann man vielleicht mit üben noch hinkriegen, allerdings ist es mir schleierhaft, wieso die Kursleiterin behauptet, das würde ohne jedes bißchen Abdrücken vom Boden funktionieren. Wir liegen mit einer Seite auf dem Boden und sollen uns quasi einmal um die Schulter herumdrehen, nur indem wir mit Rücken und Beinen einen Bogen nach hinten bilden und wieder einklappen. Allerdings sind die physikalischen Gesetzmäßigkeiten so, daß beim Liegen auf dem Boden zwischem diesem und meinem, von Masse und Schwerkraft nach unten gezogenem Körper, Reibung entsteht, die es eindeutig erschwert und mehr Kraftaufwand erfordert, sich nach vorne und hinten zu biegen. Deshalb würde das ohne jedes Abdrücken vielleicht im leeren Raum funktionieren, aber mit der Bodenreibung passiert auf diese Weise bei mir nur, daß ich wie ein Fisch auf dem Trockenen zappel. Also entweder erzählt die Kursleiterin Quark oder aber mir fehlen irgendwelche spezifischen Muskeln für diese Art Schlangenfortbewegung.

Neu war auch, daß wir diesmal einige Male ziemlich frei, fast ohne jede Vorgabe, tanzen durften. Zur Zeit habe ich sowieso gerade irgendwie eine größere Affinität zu Freestyle, jedenfalls habe ich viel weniger Lust, Choreos zu machen und zu üben. Allerdings habe ich das vermutlich eh mehr deshalb gemacht, weil ich befürchtete, beim Freestyle zu sehr in der Komfortzone zu bleiben und keine neuen Bewegungsabläufe zu lernen. Im Moment ist mir das aber irgendwie egal, vielleicht weil ich der Meinung bin, daß ich im Contempotrary-Kurs genug neues lerne. Freestyle zu Hause - kein Problem! Sieht ja niemand und wenn es noch so verkorkst aussieht. Sind dann aber andere um einen herum, kostet es doch etwas mehr Überwindung, gerade und insbesondere auf dem Boden, weil man ja dort nicht gerade in seinem Element ist, wenn man nicht schon ein paar Jahre an diese Form der Bewegung gewöhnt ist. Und ohne eine aussagekräftige Musik, die mich führt, finde ich es ebenfalls noch mal schwieriger. Aber alleine der Gedanke an den vielen leeren Platz, den ich vor mir habe, ist dann so elektrisierend, daß mir alles andere eigentlich egal wird. Hauptsache Raum spüren!

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