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Montag, 29. Juni 2020

Aus dem Leben Isadora Duncans - 5

"Zwei Wochen später kommt es in Boston zum Skandal. Die Duncan hat für ihren Auftritt ein durchsichtiges Kostüm gewählt, das zuweilen, bei heftigen Bewegungen, über ihre Schultern fällt. Gleichgültig, wieviel da nun zu sehen war - allein, daß die Tänzerin auf offener Bühne auch nur ihre nackten Beine zeigte, war im prüden puritanischen Neuengland immer noch unschicklich. Ballerinen trugen seidene Strümpfe, Tüllrock und Trikot.
Die einen empörten sich, diese Tänzerin verstoße schamlos gegen die primitivsten Anstandsregeln. Andere sahen durch Isadoras Korpulenz den Sinn für das Ästhetische verletzt. Beide hatte Isadora provozieren und mit ihrer Darstellung sowohl den Puritanismus wie auch den Antikommunismus trefen wollen. Am Ende der Vorstellung schwenkte sie ihren roten Seidenschal und schrie:"Der ist rot! So bin auch ich! Es ist die Farbe des Lebens und der Kraft! Auch ihr ward einmal wild! Laßt es nicht zu, daß sie euch zähmen!"...
...Zurück in New York, möchte Mrs. Duncan am Weihnachtsabend in einer Kirche "predigen" und tanzen. Das scheitert am Verbot des Bischofs. Dafür tritt Isadora in der Musikakademie von Brooklyn auf. Nach den ersten beiden Tänzen unterbricht sie plötzlich das Programm und erklärt dem Publikum, die berühmte französische Schauspielerin Sarah Bernhardt liege im Sterben. Ihr zu Ehren wolle sie den Trauermarsch tanzen. Abgang mit Applaus. Doch dann entsteht Verwirrung. Der Pianist weigert sich, nochmals zu erscheinen. Isadora versucht, ohne ihn zu tanzen. Das mißlingt, und sie verläßt die Bühne. Ratlos sitzt das Publikum auf seinen Plätzen. Sergej läuft umher, sucht seine Frau, kann sie nicht finden. Am nächsten Tag sieht sie sich genötigt, das abrupte Ende ihres Auftritts zu erklären. Schuld sei die Prohibition. Champagner, mit Äther und anderem versetzt, habe sie aus dem Konzept gebracht..."

("Isadora Duncan, Sergej Jessenin - Der Dichter und die Tänzerin" von Carola Stern)

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