ThingsGuide

Sonntag, 14. Februar 2021

Leben in Schneckenhausen

So ein Herumgeschnecke ist ziemlich ansteckend und ehe man es sich versieht, ist man infiziert. Inzwischen habe ich die Lieblingsspeise der Schnecke gefunden, denn seit ich ihr welkes Blumenkohlgrün in ihre Behausung gelegt habe - je welker, desto besser, ist sie nicht mehr zu halten und futtert jeden Abend. Sie scheint auch was die Eßzeiten betrifft, denselben Rhythmus wie ich zu besitzen. Was sie da vorher alle drei Tage am Apfel geknabbert hat, war dagegen wohl nur eine kleine Kostprobe, die augenscheinlich nicht ihren Geschmack getroffen hat. Ich glaube, ihr ist ansonsten ziemlich langweilig, da es in ihrer Wohnhütte nicht viel zu erkunden gibt und keine Gesellschaft, was ich gut verstehen, aber zur Zeit nicht ändern kann. Da müssen wir durch. Also praktizieren wir beide unsere Yoga-Übungen, die Schnecke natürlich andere als ich, und die Schnecke kann außerdem auch noch Aerial-Yoga, indem sie sich kopfüber an den Deckel ihrer Behausung klebt und sich von da entweder nur hängen läßt oder wie eine Schraube spiralisiert, bevor sie sich wieder unter ihrem Tannenzweig verkriecht. 

Der Umstände halber habe ich mich mal ein bißchen in Foren von Schneckenzüchtern umgeschaut und dort interessante Dinge gelesen. Zum Beispiel, daß Schnecken gerne Babybrei vom Finger schlecken und Liebeskummer haben können. Es gab eine Schnecke, die war total apathisch und wollte nichts mehr essen - die Halterin glaubte schon, sie sei krank, bis sich herausstellte, daß sie ihren Lieblingsschneck vermisst hatte. Kaum war dieser wieder da, schleimten sie im Affenzahn aufeinander zu und befüßelten sich mit den Fühlern. 

Das Liebesleben der Schnecken ist überhaupt sehr speziell, denn die meisten Schnecken sind Zwitter, zumindest die meisten Landschnecken. Es ist also völlig egal, ob man Schneck oder Schnecke sagt. Neugierig geworden, recherchierte ich mal etwas genauer über Zwitter und ihre Fortpflanzung, aber ich kann euch nur raten, das nicht nachzumachen. >>Darüber findet man nämlich die gräßlichsten Schauergeschichten. Und ganz besonders abends sollte man sich von diesem Thema fernhalten, wenn man nicht Albträume von gewebezerfressenden, schraubenförmigen Spermien und anderen Grausamkeiten bekommen möchte. Zwitter sind übrigens theoretisch in der Lage, sich selbst zu befruchten, was zunächst einmal wie ein evolutionärer Vorteil erscheint. Allerdings geschieht das nur sehr selten und das hat auch seinen Grund. Forscher fanden nämlich heraus, daß bei den Nachkommen solch einer Selbstbefruchtung einige Chromosomen fehlen und sie weniger überlebensfähig sind, da solche Populationen schneller an Parasiten erkranken und dann aussterben. Darum vermutlich wechselte die Evolution dann doch lieber weitestgehend zum getrenntgeschlechtlichen Modell. 

Leben in Schneckenhausen

Keine Kommentare

Kommentar veröffentlichen

Die Kommentare werden im Tresor gebunkert und bei Gefallen freigeschaltet. ,-)