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Sonntag, 24. April 2022

Der große Kino-Schlußverkauf

Eigentlich wollte ich mich nur mal kurz darüber informieren, wie es jetzt eigentlich um das historische Kino Colosseum steht, das die Betreiber wegen der Corona-Pandemie aufgaben und welches verkauft werden sollte. >>Nun ja, die Infos sind so, daß ich eigentlich jetzt schon weiß, wie das ausgeht. Erst hieß es, Berlin wolle das Kino retten und aufkaufen, hat das aber ganz einfach verpennt, jetzt heißt es, der neue Eigentümer will den Kulturbetrieb in reduzierter Form, neben dem Bürokomplex fortsetzen und legt dafür Konzepte vor. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Genauso lief das nämlich mit dem historischen Tivoli auch schon, in welchem die Brüder Brüder Skladanowsky, welche die erste Filmkamera erfanden, ihre Filme vorführten. Der Ausverkauf des Tivoli war einige Jahre nach der Wende, als es erst hieß, das Tivoli solle von Berlin aufgekauft und gerettet werden, dann hieß es, der Eigentümer hätte ein Konzept zum Erhalt des Tivoli, und das Ende vom Lied war, daß es jahrelang brach lag, bis Gras über die Sache gewachsen war, und dann abgerissen wurde. >>Heute steht dort ein Supermarkt und es erinnert nur noch ein kleines Mosaik auf der Straße an das historische Filmtheater. Dafür war dann noch Geld da, das ist quasi eine Erinnerung an die eigene Schande. 

>>Es kommt aber noch schlimmer, denn auch von der Kulturbrauerei heißt es jetzt, daß sie verkauft werden und einem Bürokomplex weichen soll. Und auch hier verkündet Berlin, daß ein Rettungsplan für die Kulturbrauerei existiere. Ja, klar. Wer's glaubt, wird selig. Der wird wahrscheinlich genauso verpennt, wie bei allen anderen Kinos und Kulturstätten. Mir kommt es fast so vor, als wäre das eine Strategie: Erst wird beschwichtigt und verkündet, man habe einen Plan das aufzukaufen und zu retten. Dann verpennt man es und es wird weiter beschwichtigt, daß der Eigentümer ein Konzept vorlegt, wie der Kulturbetrieb fortgesetzt werden kann. Und schließlich wird alles so lange brach liegen lassen, bis niemand mehr danach fragt und man es abreißen kann. Ich verstehe dabei aber auch nicht, wozu wir eigentlich den hunderttausendsten Bürokomplex benötigen. Denn eigentlich sind doch Wohnungen Mangelware, oder nicht? Wenn man dann wenigstens Wohnungen bauen würde - wer braucht denn diese ganzen Büros? 

Also wenn man sich über eines in der DDR nicht beklagen konnte, dann waren das mangelnde Kulturangebote. Man konnte zwar nicht weit verreisen, aber damals gab es auch am Rande von Berlin überall Kinos, Clubs und Tanz-Cafés. Fast von jedem Ort konnte man fußläufig ein Kino oder Tanz-Café erreichen. Ich hatte sogar zwei Kinos zur Auswahl, die fast um die Ecke lagen. Ich bin damals, in den Jahren vor der Wende, wöchentlich mindestens einmal abends ins Kino gegangen. Das war dann quasi ein Abendspaziergang mit Filmvorführung, und konnte sogar zwischen zwei Filmen wählen. Und es gab nicht nur DDR-Produktionen, sondern auch ausländische Filme liefen in den Kinos. >>Im historischen Tivoli wurde ich zum Beispiel nicht nur eingeschult, sondern sah später zu DDR-Zeiten Filme wie "Der Name der Rose", "Abwärts", "Chronik eines angekündigten Todes", "Der letzte Kaiser", "Das fliegende Auge", "Silkwood", "Dirty Dancing", "Jenseits von Afrika", "Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil" und "Crocodil Dundee". Nachdem sowohl das Tivoli als auch kurze Zeit später das Rio "eingemottet" wurden, war es damit vorbei, denn nun wurde ein Kinobesuch zu einer aufwendigeren Sache, die man sich seltener und nur noch bei besonderen Filmen vornahm. Das Colosseum lag da noch am nächsten und war mit den Öffentlichen mit einmal Umsteigen zu erreichen. Außerdem konnte man hier den Kinobesuch auch gut mit einem Einkaufsbummel auf der Schönhauser verbinden. Das war dann aber quasi ein Tagesausflug. Bis nach Berlin-Mitte fahre ich nur ganz selten, um ins Kino zu gehen, meist nur, wenn ich irgendetwas anderes dort zu erledigen habe, bzw. bei besonderen Gelegenheiten, weil es vom Stadtrand aus viel zu lange dauert. Wenn jetzt auch noch das Colosseum und die Kulturbrauerei verschwinden, ist hier in meiner Ecke nix mehr, außer ein "Kultur-Kino" mit hauptsächlich Arthouse- und Dokumentarfilmen, das zudem so eine winzige Leinwand hat, daß man da auch zu Hause bleiben und sich den Film auf DVD anschauen kann. Sowas lockt mich nicht hinter dem Ofen hervor, da ich hauptsächlich ins Kino gehe, um ganz in einen Film "eintauchen" zu können. Ach stimmt, es gibt ja doch noch etwas - Bürokomplexe und Supermärkte. 

Hier kann man übrigens eine Petition unterzeichnen zum Erhalt des Colosseum, aber ich denke, das Ding ist eh gegessen: https://www.change.org/p/s%C3%B6ren-benn-bezirksb%C3%BCrgermeister-pankow-jetzt-zusammenstehen-das-kino-colosseum-muss-als-kulturstandort-erhalten-bleiben-293c3cb6-32ea-43fe-a857-323816ce3211

Und hier geschieht anscheinend dasselbe mit einem anderen Kulturstandort in Berlin: https://www.change.org/p/abgeordnetenhaus-berlin-rettung-des-kulturstandortes-zukunft-am-ostkreuz

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