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Freitag, 22. April 2022

Kriegsflüchtlinge und Sprachen

Zu Ostern schrieb mir eine ehemalige Kollegin, daß sie eine Zeit lang bei der Eingabe der Fälle der ukrainischen Kriegsflüchtlinge mithelfen mußte, jetzt aber nicht mehr, weil nicht mehr so viele kommen. Der erste Andrang scheint vorüber zu sein. Das erinnert mich an die Welle der jugoslawischen Kriegsflüchtlinge, bei der ich hautnah dabei war, denn die schlugen damals bei mir, bzw. uns wegen der Sozialleistungen auf. Es war ein buntes Völkchen von Serben, Bosnier, Kroaten und Kosovo-Albaner, darunter auch Roma. Wir hatten damals zwei Dolmetscher und eine Kollegin, die Witwe eines tschechischen Mannes, die deshalb etwas Tschechisch sprach und sich damit tatsächlich auch mit einigen von den Flüchtlingen verständigen konnte. Dies motivierte mich, meinen kleinen tschechischen Sprachführer hervorzuholen und einige Brocken Tschechisch zu lernen, allerdings glaube ich, daß mich niemand verstanden hat. Mein Vermieter vergibt jetzt die freien Gästewohnungen an ukrainische Flüchtlinge und sucht Übersetzer. Da tauchte bei mir die Frage auf, was eigentlich die russische Sprache von der ukrainischen Sprache unterscheidet, und ob man, wenn man Russisch kann, auch Ukrainisch als eine Art Dialekt versteht. Zum Glück gibt es das Internet, um sich kundig zu machen, und dort erfuhr ich, daß der Unterschied ungefähr so ist, wie zwischen Niederländisch und Deutsch. Ich erfuhr auch, daß das Gebiet der heutigen Ukraine lange Zeit von Polen und Russland umkämpft war, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die ukrainische Nationalbewegung unterdrückt und die ukrainische Sprache als „kleinrussischer Dialekt“ von der russischen Zaren-Regierung verboten wurde. Auch im 20.Jahrhundert hatte die neu gegründete Ukrainische Volksrepublik nur kurz Bestand und wurde durch den 1. Weltkrieg und den Russischen Bürgerkrieg wieder aufgeteilt. 

Und in Anbetracht dessen, daß ich Niederländisch eher rate statt wirklich zu verstehen, sind die Unterschiede doch schon etwas größer, zumal es in den kyrillischen Alphabeten teilweise andere Buchstaben gibt. Weiterhin existieren im Russischen "nur" sechs Fälle, während es im Ukrainischen sogar sieben sind. Heiliger Bimbam! Mir haben eigentlich die sechs Fälle im Russischunterricht schon völlig gereicht. Das ist so ähnlich wie Sorbisch mit sechs Fällen und Obersorbisch mit sieben Fällen. Leider kann ich kein Sorbisch, aber meine Urgroßmutter hat das noch gesprochen. Deshalb muß ich mich mit rudimentären Russischkenntnissen begnügen, zum Übersetzen reicht das nicht, obwohl in der Ukraine auch viel Russisch gesprochen wird, wobei seltsamerweise jetzt im Januar ein Gesetz in der Ukraine in Kraft getreten ist, welches die russische Sprache zurückdrängen und die ukrainische Sprache stärken soll, indem Behörden, Ärzte und Angestellte verpflichtet werden, Ukrainisch zu sprechen und eine Bedienung in Russisch Geldstrafen nach sich ziehen kann. Seltsam finde ich das deshalb, weil ja nun die Autonomie der Ukraine schon seit 1991 besteht und es normalerweise ausreichend ist, daß eine "Amtssprache" festgelegt wird, die für alle behördlichen und gerichtlichen Dinge gilt, die dann meist schnell in anderen Bereichen und Geschäften Anwendung findet. Vielleicht liegt das an den langen historischen Gemeinsamkeiten und damit familiären Verbindungen zwischen den Völkern. Viele Russen haben ukrainische Verwandte und umgekehrt. Das wiederum bedeutet, daß Hass und Übergriffe auf russische Zivilbürger durchaus auch ukrainische Bürger trifft, was sich aber diejenigen, die einfach aus Affekten handeln wohl nicht bewußt machen und manchen vielleicht auch egal ist, wenn es ihnen im Grunde nicht um die anderen geht. Es muß bitter sein für die Mobber, daß Russisch nun so hoch im Kurs steht, gerade deshalb, weil man sich damit mit Ukrainiern verständigen kann, obwohl doch die russische Sprache und Kultur ausgerottet werden sollte. Stattdessen kenne ich deutschrussische Bürger, die sich und ihre russischen Sprachkenntnisse jetzt für ukrainische Flüchtlinge einsetzen, oft weil sie selbst ukrainische Verwandte haben - die haben verstanden, worum es geht. 

Weil das mit der russischen Sprache nicht klappt, fokussiert man sich nun anscheinend auf sowjetische Ehrenmale und fordert deren Abriss. Aber nicht nur die, sogar Denkmäler, die nur Hammer und Sichel zeigen, sollen abgerissen werden, wie das Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin. Nicht daß ich an diesem Ernst-Thälmann-Denkmal hängen würde - ich finde es häßlich -, aber aus reiner Bockigkeit selbst aufgebaute Werte abzureißen, nur weil es gerade nicht nach dem eigenen Willen geht, nützt überhaupt niemandem und stellt keinen Frieden her. So einiges läuft im Leben nicht nach dem eigenen Willen und Wünschen und hier würde wohl fast jeder solche Zerstörungsreaktionen als unreif ansehen. Ganz abgesehen davon, daß man sich diese Forderungen sowieso nur mit massiven Bildungslücken erklären kann, denn zur Sowjetunion gehörten neben Rußland damals viele sowjetische Republiken darunter auch die Ukraine. Und deshalb sind ebenso Millionen ukrainischer Soldaten im zweiten Weltkrieg gefallen, die man dadurch mit dem Vergessen anheim fallen läßt. Mir kommt das vor wie die Fortsetzung dieser völlig ungebildeten und unwissenschaftlichen Zero-Covid-Forderungen - Bildungslücken zeigen anscheinend vor allem in Krisenzeiten ihre häßliche Fratze. Sind wir wirklich so eine verdummte Gesellschaft? Wer sowohl seine Englisch- als auch Russischkenntnisse mit einem Schlag aufpolieren möchte, erhält im nachfolgend verlinkten Kanal übrigens eine gute Quelle. Allerdings finde ich dafür, daß jeden Tag Videos gepostet werden, diese meist zu lang. Ich schaue dann nur die ersten fünf Minuten. 

Unter den jugoslawischen Flüchtlingen war damals eine Kroatin, die mir oft gekauften Kuchen mitgebracht hat. Anscheinend sah ich so verhungert aus. Wir hatten aber auch einige russische Spätaussiedler, die uns dauernd selbstgekochtes Essen mitbrachten. Da gab es dann so eine Art Piroggen oder Pelmeni, außerdem eine eigenartige Buchweizengrütze. Man wußte nie so richtig, ob man das nun essen kann oder nicht. Die Kroatin hat mich außerdem zu einem Kroatien-Urlaub eingeladen - das habe ich aber nicht gemacht. Genausowenig, wie ich die Einladung zu einem Metallica-Konzert von einem Ex-Knasti angenommen habe. Eine Kollegin von mir hatte mal richtig viel Pech und Ärger, weil sie von "ihrem" Mörder (ich weiß nicht mehr, ob Axtmörder, Ballhausmörder oder noch ein anderer - es gab etliche und inzwischen verwechsle ich die alle) eine rote Rose geschenkt bekam und erst später stellte sich heraus, daß daran eine goldene Kette als Geschenk hing. Sie mußte dann unzählige Vermerke schreiben und die Kette per Post zurückschicken. Normalerweise durften wir auch kein Essen o.ä. annehmen, bzw. gab es eine Anweisung, daß sowas dann einem Kinderheim zu überstellen ist. Aber da das Essen schlecht geworden wäre, bis es in einem Kinderheim ankommt, wurde ein Auge zugedrückt. Wenn man allerdings sieht, was für Geschenke Politiker und Richter ohne Skrupel annehmen, ist das ziemlich lächerlich. Zum Beispiel hätten die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die eigentlich zur Neutalität verpflichtet sind, die Essenseinladung von Frau Merkel ausschlagen können und sagen können, sie solle doch lieber ein Kinderheim einladen. Dann würden jetzt wahrscheinlich keine Anwälte gegen den Bundesverfassungsgerichtspräsidenten demonstrieren.

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