Die letzte Zeit war dem Cocooning vorbehalten. Im Moment beschäftige ich mich lieber mit mir als der Menschheit, man wird ja fast dazu genötigt, zum Misanthropen zu werden. Und mit dem Cocooning kann es wohl noch ungestört weitergehen. Eigentlich war geplant, daß ich nächstes Wochenende bei meiner Schwägerin und Bruder übernachte, aber da die immer noch Baustelle haben, wird dies vertagt. Eine frühere Kollegin schrieb mich an und fragte, ob ich Lust auf ein Treffen hätte, aber mit einer anderen Kollegin hat sie abgemacht, daß wir dies auf das Frühjahr verschieben, wenn man draußen sitzen kann. Wie man sieht bin ich auch zuhause gut beschäftigt. Ich habe mir vor Wochen eine Kiste mit Glückwünschen zu meiner Geburt vorgenommen, die ich zu einem Junk Journal verarbeite. Ich hatte immer hin und her überlegt, was ich mit diesem enormen Stapel an Karten und Briefen anfangen soll und ob ich die entsorgen sollte (einzelne davon hatte ich sogar schon weggeworfen, d.h. ich besitze gar nicht mehr alle), denn viele der Gratulanten kenne ich weder persönlich noch vom Namen her. Es ist sowieso seltsam, daß so massig gratuliert wurde - mir kommt es vor, als hätte mein Vater eine riesige Bekanntmachungstafel an die Kirchentür gehämmert und noch ein paar Kuriere in alle Welt verschickt, um meine Geburt zu verkünden. Diese Vorstellung fand ich so witzig, daß ich dachte, es wäre schade, nun die Rückmeldungen wegzuwerfen. Stattdessen lieber ein buntes Kindheits-Album machen. Ich besaß noch ein unbenutztes Ring-Journal, welches ich irgendwann aus dem Discounter mitgenommen hatte, welches Platz für dickere Seiten bietet.
Für dieses Journal durchsuchte ich ebenfalls die restlichen zwei Kisten an Post nach Artefakten aus meiner Kindheit. Ich hebe nämlich jede Karte und jeden Brief auf und ich muß sagen, wenn ich dann alle paar Jahre mal in die Kisten schaue, bekomme ich ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich denke, so viele Karten und Post habe ich selbst niemals geschrieben. Warum bekomme ich dann so viel? Zum einen verreise ich ja nun eher selten, wenn aber, schreibe ich auch brav meine Urlaubskarten. Zum anderen vermute ich, daß man sich an die vielen Karten, die man selbst schon im Laufe seines Lebens geschrieben hat, gar nicht mehr erinnert. Wenn es nur zwei Drittel so viele sind, wie ich bekommen habe, ist das schon eine langer Text, der da zusammenkommt.
Meine gemalten Bilder aus Kindergarten und früher Schule habe ich ja leider tatsächlich mal alle entsorgt, was ich jetzt etwas bereue. Aber in den Papieren meines Vaters ist dann doch noch das eine oder andere aufgetaucht. Zum Beispiel eine von mir gemalte Osterkarte an Omi und Opi. Beide haben jeweils ein eigenes Ei und einen eigenen Osterhasen bekommen. Ich frage mich nur, warum ich den Osterhasen von hinten gemalt habe. Das daneben ist ein Lesezeichen, das ich meinem Vater zum Geburtstag schenkte. Glücklicherweise hatte mein Vater zudem lustige Post aufgehoben, die ich bekam, ansonsten wäre sie bei mir wahrscheinlich schnell verloren gegangen. Unter anderem einen Brief von allen Mitgliedern der Christenlehre, die mir gute Besserung wünschten, als ich einmal krank war. Darin malten sie viele Katzen, da jeder wußte, daß ich katzennärrisch bin, Blumensträuße und Figuren. Am süßesten finde ich diese beiden selbstgemalten Briefmarken auf dem Umschlag. Eine davon aufgeklebt, die andere aufgezeichnet. Wenn man genau hinschaut, kann man "Christenlehre" lesen. Ob aber diese Figur auf der Marke ein Selbstporträt sein soll, oder vielleicht unsere Katechetin oder gar Jesus darstellen soll, werde ich wohl nie erfahren. Auch den Impfausweis meiner Katze habe ich gefunden - der kommt mit in das Journal. Sie ist allerdings nur einmal geimpft worden. Danach hat sie sich selbst mit Spinnen geimpft, die sie fing und als willkommene Zwischenmahlzeit verspeiste. Gott sei Dank ist sie nie auf die Idee gekommen, mir etwas davon abgeben zu müssen.
Als mich heute meine Schwägerin wegen der Vertagung anrief, erzählte sie von einer Kollegin ihrer ukrainischen Putzhilfe. Das Putzen macht diese nur nebenbei, aber bei ihr auf Arbeit ist eine ukrainische Kollegin zusammengebrochen. Sie hatte seit einem Monat nichts mehr von ihrem Sohn gehört, der bei Bucha stationiert war, und erfuhr nun, daß dieser gefallen ist. Das heißt, die Abnutzung des "Menschenmaterials" schreitet wie gewünscht voran. Wir unterhielten uns auch über die Friedensaktion von Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer, und meine Schwägerin ist nun wirklich kein Freund von beiden. Sie mag eher Lauterbach, allerdings habe ich sie nicht gefragt, ob sie den immer noch gut findet. Selbst sie meinte jedoch, diese hysterischen und unflätigen Reaktionen darauf können eigentlich nur bedeuten, daß Sahra Wagenknecht die Wahrheit sagt. Ich persönlich würde mir ja wünschen, daß die >>Petition noch Millionen Mitzeichner findet, schon alleine, um das Vergnügen zu haben, die Schnappatmung einiger Leute zu sehen. Leider bleiben bei so einer Online-Petition aber wieder mal viele Menschen außen vor, die nicht digitalisiert sind, vor allem vermutlich alte Leute, die noch den Krieg miterlebt haben, so wie meine Mutter.
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