ThingsGuide

Mittwoch, 8. Februar 2023

Monk's House

Wirklich mönchisch ist eigentlich nur das Bett im Haus, das Virginia Woolf bewohnte, weil für meinen Geschmack viel zu schmal. Bis auf die Bücherwand hinter dem Bett und den Kamin, ist das Schlafzimmer weniger spektakulär, weshalb ich es nicht verlinkt habe. Aber das kleine Bild des Wohnzimmers in der Biographie über Virginia Woolf, welche ich gerade lese, hat es mir sofort angetan. Nur leider ist der Druck viel zu klein, um etwas zu erkennen, weshalb ich mir das mal genauer anschauen wollte. Die weltweite Internetverbindung macht sowas ja heutzutage möglich. Es wurde aus zwei kleineren Zimmern geschaffen und hat fünf Fenster zum Garten. Sehr hübsch! Mir persönlich fehlen noch Felle, offenes Feuer und eine Yoga-Schurwollmatte. Ich glaube, meine Bedürfnis nach Fellen und offenem Feuer, bzw. entsprechenden Attrappen, muß genetisch bedingt sein. Vermutlich ist dies ein Überbleibsel aus meinen Wikinger-Genen. Die Kacheln im Raum, z.B. die auf dem Tisch, sind selbst bemalt. Also nicht von Virginia, sondern von ihrer Schwester Vanessa, die professionelle Malerin war, und Duncan Grant, der ebenfalls professioneller Maler war und zur Bloomsbury Gruppe gehörte.

Im Buch steht dazu: "Virginia strich die Wände in lichtem Grün. Mit 'seinen fünf Fenstern, dem Tragbalken in der Raummitte, den ringsum von draußen hereinnickenden Bäumen und Blättern', mit dem Braunrot der Eichendielen bzw. des Ziegelsteinbodens schien der Raum in den Garten überzugehen, bzw. der Garten sich ins Hausinnere fortzusetzen. Die Kacheln zum Kamin und auf dem Tisch, die Stühle und Schränke wurden von Vanessa Bell und Duncan Grant im Stil der Omega Workshops bemalt. Hier ' sitzen wir, essen, spielen Grammophon, stecken die Füße neben dem Feuer aus und lesen endlos Bücher', notierte Virginia Woolf." (aus "Virginia Woolf" von Renate Wiggershaus)

Duncan Grant war übrigens der Lebenspartner von Vanessa Bell, welche wiederum mit Clive Bell verheiratet war. Ihre Tochter erfuhr erst mit siebzehn Jahren, daß ihr Vater nicht Bell, sondern Duncan Grant ist. So weit, so gewöhnlich. Die Tochter jedoch war zu dieser Zeit in den fünfundzwanzig Jahre älteren Romanschriftsteller und Kritiker David Garett verliebt. Und dieser wiederum war der Geliebte von Duncan Grant, dem Lebenspartner von Vanessa. Clive Bell hatte natürlich auch eine jahrelange Geliebte, versteht sich. Uff. So langsam verstehe ich den Zusammenhang zwischen "Bohemian" und "böhmische Dörfer". 

Virginia Woolf erlebte noch einen Teil des zweiten Weltkriegs mit, bevor sie am 28. März 1941 in die Ouse ging:

"Am 6. September 1939, sechs Tage nach dem deutschen Überfall auf Polen, drei Tage nach der Kriegserklärung Großbritanniens, notierte sie in Rodmell in ihr Tagebuch: 'Unsere erste Luftangriffswarnung um 8 Uhr 30 diesen Morgen. Ein Trillern. das sich ganz allmählich einschlich, als ich im Bett lag. Also angezogen und mit L. auf die Terrasse getreten. Klarer Himmel. Alle Häuser geschlossen. Frühstück. Alles klar. In der Zwischenzeit ein Überfall auf Southwark. Keine neuen Nachrichten. ... Leere. Unproduktivität. ... Mein Plan ist, mein Gehirn zu zwingen, an Roger weiterzuarbeiten. Aber bei Gott, dies ist die schlimmste Erfahrung meines Lebens. Ich bemerke, diese Gewalt ist die dumpfeste aller Erfahrungen. Es bedeutet, daß man nur körperliche Gefühle fühlt; man wird kalt und starr.' ...

Mitte Oktober fuhren die Woolfs zurück nach London. Sie wohnten bereits am Mecklenburgh Square, hatten aber noch keinen Nachmieter für ihre Wohnung am Tavistock Square. Verwirrt stellte Virginia fest, dass das gesellschaftliche Leben wie erstorben war. Alles, was dem Leben Glanz und Heiterkeit gegeben hatte, war verschwunden. Kein Flanieren mehr, keine Teegesellschaften. Stattdessen Verdunkelungspflicht, Benzinrationierung, Papierknappheit, Geldsorgen, Gasmasken. ...

Am Sonntag, dem 20. Oktober, fuhren die Woolfs zu ihrem Haus am Tavistock Square 52, für das sie verständlicherweise noch immer keinen Nachmieter gefunden hatten und wo noch Möbel von ihnen standen. Was sie vorfanden war ein Ruinenfeld. 'Ich konnte gerade noch ein Stück Wand meines Arbeitszimmers sehen: ansonsten Trümmer, wo ich so viele Bücher geschrieben habe. Freier Himmel, wo wir so viele Abende zusammen gesessen, so viele Gesellschaften gegeben haben.' Sie fuhren weiter zum Mecklenburgh Square. Eine Bombe, die noch nicht explodiert war, lag auf dem Platz vor ihrem Haus. Sie wurde einige Tage später zur Explosion gebracht. ... Weitere Zerstörungen ergaben sich etwas später durch eine Landmine, die - so Leonard in seinen Lebenserinnerungen - 'mehrere Familien tötete und durch alle unsere Räume hindurchfegte. ....' ...

Mit Lastwagen wurden Möbel, Bilder, Teppiche, vor allem aber Tausende von Büchern und Briefen nach Rodmell geschafft. Chaos notgedrungen nun auch dort, trotz der von den Woolfs angemieteten Scheunen. In dem großen Wohnzimmer im Erdgeschoss von Monk's House stapelten sich die zahllosen Bücher 'die wir in London gehabt hatten, auf  Tischen und Stühlen und überall auf dem Boden ... schmutzig und in hoffnungslosem Durcheinander.'" (aus "Virginia Woolf" von Renate Wiggershaus)

Unter diesen Links bei Flickr findet man noch einige schöne zusätzliche An- und Aussichten: https://flic.kr/p/M8aLYi, https://flic.kr/p/cZHzSq, https://flic.kr/p/R5TTu3, https://flic.kr/p/MgESYG, https://flic.kr/p/2gNXuKM, https://flic.kr/p/dTJCcC

Monk2

Monk1

Monk5

Monk4

2 Kommentare:

  1. Seit einigen Jahren folge ich auf fb dem Charleston Trust. Es ist immer wieder Inspiration, neue aber auch alte Fotografin des Anwesens zu sehen, auch die liebevoll kuratierten Veranstaltungen. Ich war dort leider noch nie, aber irgendwann sehe ich es mir an. Habe auch einen herrlichen Bildband über Charleston. So ein Wohlgefühl steigerndes Universum. Wunderbar.

    AntwortenLöschen

Die Kommentare werden im Tresor gebunkert und bei Gefallen freigeschaltet. ,-)