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Sonntag, 12. März 2023

Briefwechsel zwischen George Sand und Gustave Flaubert

Leider ist die dreiteilige Lesung aus den Briefen zwischen George Sand und Gustave Flaubert in den Mediatheken nicht mehr zu finden. Ich hatte sie mir mal heruntergeladen. Die stark verkürzten Zitate aus den Briefen mußte ich nach Gehör abtippen. Aber sie haben mich berührt, weil das eine Konservation ist, die heutzutage vermutlich wieder und ewig genauso stattfindet unter nachdenklichen Menschen:

"George Sand (1870): Bist du in Paris mitten in diesem Aufruhr? Welch eine Lektion erhalten die Völker, die absolute Herrscher wollen! Frankreich und Preußen, die einander die Kehle durchschneiden aus Gründen, die sie selbst nicht begreifen. Man sieht nur armselige Bauern, die um ihre einrückenden Kinder weinen. Mir ist elend ums Herz, mir persönlich, denn in der Haut des alten Troubadours steckt eben doch eine Frau. Dieses Menschengemetzel reißt mein armes Herz in Fetzen... 

Gustave Flaubert: Ich bin am Montag in Paris angekommen und habe es am Mittwoch wieder verlassen. Ich kenne jetzt das innerste Wesen des Parisers. Und habe in meinem Herzen den grausamsten Politikern von 1793 Abbitte geleistet. Meine Landsleute machen mir Lust, mich zu übergeben. Dieses Volk verdient vielleicht gezüchtigt zu werden und ich befürchte, daß es das wird. Da ich nicht wußte, womit ich mich beschäftigen soll, habe ich mich als Krankenpfleger im Krankenhaus von Rouen gemeldet, wo meine Hilfe vielleicht nicht nutzlos ist. Wenn man Paris belagert, werde ich mich zum Schießen hinbegeben, mein Gewehr steht bereit, doch bis dahin bleibe ich in Croisset, wo ich bleiben muß. Ich werde Ihnen sagen warum. Ich habe in der Hauptstadt Schändlichkeiten gesehen, die einen Mann alt werden lassen. Und wir sind erst beim ersten Akt...

George Sand (1871): Heute morgen erhielt ich deinen Brief vom 15., von welch grausamen Dorn befreit er mein Herz. Im Augenblick wird man ja wahnsinnig vor Unruhe, wenn man keine Antwort erhält. Hoffen wir, daß wir bald plaudern und vom Verschollensein erzählen können...

Gustave Flaubert: Ach, in welche Welt geraten wir hinein! Heidentum, Christentum, Flegeltum. Das sind die drei großen Entwicklungsstadien der Menschheit. Es ist betrüblich, sich am Anfang des dritten zu befinden...

George Sand: Du hängst zu sehr an der Literatur, sie wird dich umbringen. Und du wirst die menschliche Dummheit nicht ausrotten. Arme, liebe Dummheit, die ich persönlich nicht hasse und die ich mit mütterlichen Augen betrachte, denn sie ist ein Kindesalter. Und alle Kindheit ist heilig! Welch einen Hass du ihr zugedacht hast! Wie du sie bekämpfst! Du besitzt zu viel Wissen und Intelligenz, mein Cruchard(?). Du vergißt, daß es etwas gibt, das über der Kunst steht, die Weisheit nämlich. Und die Kunst, selbst wenn sie ihren Höhepunkt erreicht hat, ist stets nur deren Ausdruck...

Gustave Flaubert (1875): Liebe Meisterin, ich habe einen Schlag auf den Kopf bekommen, von dem ich mich nicht erhole. Das Unglück ist zu nichts nutze, auch wenn die Heuchler das Gegenteil behaupten. Mein Neffe hat die Hälfte meines kleinen Vermögens geschluckt, um zu verhindern, daß er pleite macht, habe ich den gesamten Rest aufs Spiel gesetzt. Und jetzt weiß ich nicht, wie ich leben soll....Mein Herz ist zermalmt und meine Phantasie platt gewalzt...

George Sand (1876): Jeder geht von seinem Standpunkt aus, den er, und das respektiere ich, frei gewählt hat. Meinen kann ich in wenigen Worten zusammenfassen: Sich nicht hinter die undurchsichtige Scheibe stellen, in der man nur die Spiegelung der eigenen Nase sieht. So weit wie möglich sehen. Das Gute, das Böse, in der Nähe, ringsum, in der Ferne, überall. Wahrnehmen, wie alles Greifbare und Ungreifbare unweigerlich angezogen wird vom Guten, Wahren und Schönen. Ich behaupte nicht, die Menschheit sei auf dem Weg zu den Gipfeln. Ich glaube es trotz allem. Doch darüber diskutiere ich nicht, es ist sinnlos, weil jeder aus eigener Sicht urteilt und im Moment ohnehin alles armselig und häßlich anmutet. Im Übrigen brauche ich mir nicht sicher zu sein über das Heil des Planeten und seiner Bewohner, um an die Notwendigkeit des Guten und Schönen zu glauben. Wenn der Planet dieses Gesetz übertritt, wird er untergehen. Wenn die Bewohner sich widersetzen, werden sie vernichtet werden..."

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen unglaublichen Text! iGing

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    1. Gerne! Ist aber, wie gesagt, sehr stark gekürzt. Den Rest fand ich auch beeindruckend.

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