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Samstag, 4. März 2023

Kulinarisch-literarische Kreatrophen

Im Moment bin ich fleißig dabei, die angelegten Katastrophen-Vorräte wieder wegzufuttern und aufzubrauchen, in der optimistischen Ansicht, daß wohl in den nächsten Monaten erstmal keine tagelangen Stromausfälle und auch keine neu gebastelten Viren zu befürchten sind. Mich beschäftigen zudem eher andere Katastrophen, wie zum Beispiel kreative, wie ich in der letzten Nacht feststellte. Im Traum schuf ich nämlich das neue Wort "Kreatrophe", welches nichts anderes bedeutet als "kreative Katastrophe". Ich habe ja schon einmal aus Stephen King Sting gemacht, was zu sehr viel Verwunderung und wahrscheinlich haltlosen Gerüchten über Sting führte, aber im Traum ist mir sowas bisher noch nicht passiert. Ich frage mich manchmal, was wohl unser Trotzköpfchen-Baerböckchen so für Kauderwelsch träumt, wenn sie es nicht gerade von sich gibt. Ich hoffe jedenfalls, bei mir ist es noch nicht ganz so schlimm. Beim Sichten der Vorräte fiel mir eine sehr große Gewürztüte in die Hand (150 g), die ein BBQ-Fleisch-Gewürz mit Raucharoma enthält. Ich hatte das Gewürz mal als Geschenk zu einer Bestellung erhalten, konnte aber bisher nichts damit anfangen, da ich nie grille und auch sonst kaum selbst Fleisch zubereite. Mir kam dann die Idee, es doch einmal als Brotgewürz zu versuchen.

Gesagt, getan, das Brot war fertig und es roch und schmeckte wie ein Speckbrot. Dadurch wiederum erging es mir wie dereinst Marcel Proust mit seiner in Tee getunkten Madeleine - ich wurde in fast vergessene Kindheitserinnerungen katapultiert. Warum ausgerechnet bei Speckbrot? Weil ich die "Geschichten aus der Murkelei" von Hans Fallada gelesen hatte. Ich habe von diesen Geschichten alles vergessen und sie haben mich insgesamt nicht sehr beeindruckt, bis auf eine winzige Kleinigkeit: In einer der Geschichten wird nämlich beschrieben, wie jemand ein Stück Brot hervorholt, es mit einer Speckschwarte abreibt und dies wie ein Festmahl zu sich nimmt. Das wollte ich unbedingt selbst ausprobieren und wir hatten sogar immer Speckschwarten im Haus, weshalb alle Zutaten vorhanden waren. Und ich habe danach tatsächlich eine zeit lang tagsüber, wenn ich Hunger bekam, da ich nie in der Schule zu Mittag aß, sondern immer erst abends, mir eine Scheibe Brot mit Speck abgerieben, als zusätzlichen Luxus eine Prise Salz gegönnt, und das Brot dann so trocken gegessen. Die Geschichte von Fallada hatte es mir schmackhaft gemacht. Und obwohl wir keineswegs arm waren, ich auch Schmalz, Butter, Käse, Wurst, Eier, Marmelade, Honig, Fisch und vieles mehr hätte haben können. lebte ich tagsüber wie die Hungerleider von Heinrich Zille. Meine Eltern haben damals vermutlich sehr viel Geld gespart. 
Ich fand den kleinen Textabschnitt in der >>Version vom Projekt Gutenberg sogar wieder: 

"Unterdessen hatte Hans Geiz alles aus seinen Taschen gezogen, was er zu einem guten Abendessen gebrauchte: nämlich einen Kanten Brot, der war schimmlig, eine Speckschwarte, die hatte in der Asche gelegen, und einen Apfel, dessen eine Hälfte war faul. »Ein feines Essen, ein Lecker- und Schleckeressen!« rühmte Hans Geiz. »Da müssen wir vorsichtig essen, sonst verderben wir uns den Magen.« Damit fing er an, den Kanten mit seinem Messer in Stücke zu zerteilen. Anna Barbara aber, die daran dachte, daß sie noch ein Töpfchen reine Butter und einen Laib selbstgebackenes Brot in ihrem Bündel hatte, sagte hastig, sie habe heute abend keinen Hunger.

»Wie du willst«, sagte Hans Geiz recht gleichmütig und schob alles bis auf ein Stücklein Schwarte und ein Ecklein Brot wieder in die Tasche. »Aber denke daran, daß morgen nicht so fett gegessen wird wie heute.« Und er strich sachte mit der Speckschwarte über das trockene Brot. »Oh, wie schmeckt das kräftig und gut!« rief er dann. »Die Menschen sind ja dumm, sie meinen, der Speck sei zum Essen da. Zum Einreiben ist er, macht dann schon das Essen so stark, daß man es kaum vertragen kann. Ich reiche mit einem solchen Stück Speck fast ein Jahr.«"

Ein anderes Experiment ging nicht so vorteilhaft aus, denn ich wollte ebenfalls mal, als ich kleiner war, wissen wie Mehlsuppe schmeckt, da man von Mehlsuppe dauernd etwas in irgendwelchen Märchen hörte. Meine Mutter hatte dann sogar extra eine Mehlsuppe gekocht. Die Erfahrung war derart, daß ich nie mehr danach fragte. 

Speckbrot ist heute auch nicht mehr das, was ich richtig lecker finde, aber mir fiel ein, daß man das Gewürz doch in Rührei probieren könnte. Ich mache zwar Rührei immer ohne Speck, habe aber gegen ein kräftiges Rührei mit Speck nichts auszusetzen. Und in der Tat, mit dem Gewürz schmeckt es tatsächlich so kräftig, als wäre Speck drin. Und hier mundet mir das sogar. Somit habe ich endlich die ultimative Verwendungsmöglichkeit für BBQ-Raucharomen-Gewürz gefunden. Vor einigen Jahren hatte ich mal eine Phase, in der ich sehr viel gekocht und Rezepte ausprobiert habe, unter anderem auch Rezepte für Fleischersatz, z.B. aus Linsen, oder Käseersatz. Dafür wäre das Gewürz wahrscheinlich super gewesen, aber für solch ein Hobby habe ich jetzt gar keine Zeit mehr. Heute bevorzuge ich alles, was schnell geht, und dabei halbwegs gesund und unverarbeitet ist. Da habe ich inzwischen so meine Favoriten-Liste, die hauptsächlich auf den Tisch kommt. Oder den Lieferservice, am liebsten indisch, weil ich die frittierten Zwiebeln in Kichererbsenmehl liebe. Früher habe ich auch mal Zwiebeln selbst frittiert, da die üblichen Fastfood-Zwiebelringe überhaupt nicht schmecken, aber wenn ich sowas beim Inder bestellen kann, sehe ich dazu keine Veranlassung mehr. Nur vor einigen Wochen probierte ich mal wieder etwas aus, nämlich geschmorte Weißkohlspalten, weil ich eigentlich gerne Kohlroulade esse, aber zu faul zur Zubereitung bin. War auch richtig gut, aber diese stundenlange Schmorerei fand ich irgendwie anstrengend, mal ganz abgesehen von den Energiekosten, gehört also nicht zu den schnellen Gerichten. 

2 Kommentare:

  1. Mehlsuppe mochte ich als Kind sehr, es hieß Brennsuppe weil aus Mehl und Margarine eine Einbrenn gemacht wurde. Gewürzt mit gemahlenem Kümmelpulver, geröstete (altbackene) Brotwürfel als Einlage. Meine Oma machte die auch mit sauer gewordener (“gestockter“) Milch, dann hieß es Stohsuppe. Täte mir heutzutage aber auch nimmer schmecken.

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    1. Klingt nach einer stark verdünnten Mehlschwitze, die ich auch heute noch für Soßen verwende. Als Suppe würde mir das aber vermutlich nicht schmecken.

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