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Dienstag, 28. März 2023

Schmierentheater und Feindbilder

Eine böse, böse Zeitschrift hat es geschafft, daß meine Mutter ganz aus dem Häuschen ist. Sie meint, mein Bruder hätte ihr diese mitgebracht und da stehen "dolle Dinger" drin. Natürlich wollte ich wissen, was das für dolle Dinger sind. Zum einen wird in dieser Zeitschrift wohl die gesamte ukrainische Geschichte einschließlich Putsch und Verehrung eines Nazikollaborateurs aufgerollt, zum anderen gibt es einen Artikel über die Recherchen des Seymour Hersh, die ergaben, daß die USA für die Nordstreamanschläge verantwortlich ist. Warum erfahre man sowas nicht in den Nachrichten? Warum hört man davon nichts? Na ja, weil die "Aktuelle Kamera" eben Werbefernsehen und kein Informationsfernsehen ist. Ich finde es aber bemerkenswert, wie manche Informationen es trotzdem zu Personen schaffen, die kein Internet und keine Zeitung haben und sich nur über das Fernsehen informieren. Meine frühere Kollegin z.B., die ich traf, als sie noch kein Smartphone und Internet hatte, reagierte eher trocken, als ich ihr von einer anderen Kollegin erzählte, die kurz nach Rentenantritt an Corona verstorben ist. "Na dann kenne ich jetzt wenigstens auch jemanden." war ihre Antwort. Sie ist zwar viermal geimpft, aber der Panikmache gegenüber kritisch eingestellt, und auch vom Nazikollaborateur als Nationalheld in der Ukraine hatte sie schon gehört, und zwar von ihrem Physiotherapeuten. Der hat ihr diese ganze Geschichte während der Lymphdrainage erzählt. 

Bei meiner ehemaligen Mitpatientin, die ebenfalls kein Internet hat, kommt jedoch weniger an. Sie wußte nicht mal, daß die USA Angriffskriege führt. "Aber die USA führt doch keine Angriffskriege. Na ja, ganz früher mal ein paar." >>Interessanterweise fand ich darüber sogar in der ZDF-Mediathek einen Beitrag, aber das ist wohl nichts, was zur Hauptsendezeit gezeigt wird, bzw. ist generell nur für das Internet gedacht. Die Enthüllungen über Nordstream hatte ich meiner Mutter gegenüber schon einmal erwähnt, was sie aber wohl vergaß. Damals äußerte ich bereits den Verdacht, daß Deutschland mit in der Sache drin hängt, denn es war einfach zu verdächtig still in den Medien diesbezüglich. Jetzt gibt es tatsächlich laut Seymour Hersh Hinweise, die das bestätigen. Mal ganz unabhängig davon, ob das nun die Wahrheit ist oder nicht, ist das veranstaltete Schmierentheater aber um so auffälliger. Nachdem in den USA wegen der ersten Enthüllung demonstriert wurde, verschwand plötzlich Scholz zu einem kleinen, geheimen Schäferstündchen bei Biden. >>Kurz darauf findet man eine Yacht und zwei vergessene Pässe einer pro-ukrainischen Gruppe, die den Anschlag verübt haben soll. Na ja, neulich lief mal wieder eine Geschichtsdoku, wo es unter anderem um den Reichstagsbrand 1933 ging, bei welchem ebenfalls ein Paß des Verdächtigen gefunden wurde. Da fiel mir auf, in Hinblick auf noch viele andere gefundene Pässe, daß es anscheinend eine sehr penibel gepflegte, gute alte Tradition unter Terroristen und Attentätern ist, ihre Pässe ständig bei sich zu führen und sie auch möglichst genau am Anschlagsort, in dessen Nähe oder im Fluchtfahrzeug zu vergessen. Vielleicht existiert diese Tradition schon seit es Pässe gibt. 

Ehrlich, ich dachte eigentlich, bei den Geheimdiensten gäbe es sowas wie Innovationsabteilungen. James Bond fuhr jedenfalls nie dieselbe alte Karre. Könnten die sich nicht mal ein paar neue Tricks einfallen lassen? Das Drehbuch wird langsam langweilig und unglaubwürdig. Falls Deutschland wirklich bei den Anschlägen mitgemischt hat, wäre das Hochverrat und für sowas wären früher schon mal Köpfe gerollt. Alleine deshalb könnte man sich ruhig etwas mehr Mühe geben, auch wenn man der Meinung ist, daß Demenz ausreicht, um durchzukommen. Oder leiden die beim Geheimdienst ebenfalls unter Fachkräftemangel? Und überhaupt, wo ist eigentlich James Bond, wenn man ihn mal braucht? Es gäbe viel zu tun. Er würde wahrscheinlich erstmal mit Putin aufräumen, danach mit den Nazis in der Ukraine, und anschließend noch die Schlangengrube EU ausheben. Und wer weiß, wo ihn die Hinweise aus der Schlangengrube weiter hinführen würden. 

In der bösen Zeitschrift, die meine Mutter gelesen hat, stand außerdem, daß 53 Prozent der Deutschen glauben, wenn die Ukraine nicht verteidigt wird, würden die Russen in Deutschland einmarschieren. Die Wessis kriegten bei diesem Gedanken die kalte Angst, während die Ossis die Russen zu Kaffee und Kuchen einladen würden. Na ja, ich weiß nicht, ob ich die Russen zu Kaffee und Kuchen einladen würde, aber ich gehöre zu denjenigen, die eher nicht glauben, daß die Russen in Deutschland einmarschieren werden. Ich habe nicht den Eindruck, daß Putin größenwahnsinnig ist und nicht weiß, was er tut, sondern daß er sich sehr genau seine Schritte überlegt. Und daß er auch genau weiß, was es bedeuten würde, ein NATO-Land anzugreifen. Aber selbst wenn ich mich irren würde, kann ich nicht wirklich nachvollziehen, warum sich Wessis vor einer Putin-Diktatur oder einem vermeintlichen Kommunismus in die Hose kacken. Wie bei Corona scheint auch hier wieder eine irrationale Angst den Verstand stark zu beinträchtigen. Ich bin in der DDR aufgewachsen - ich weiß, wie man in einer DDR überlebt und ich weiß auch, wie man eine DDR stürzt. Also kein Grund zur Panik, auch wenn ich es weder erstrebenswert finde, noch es meinem erwünschten Lebensentwurf entspricht, nochmal in einer Diktatur zu landen, egal welcher politischen Richtung, ob nun rot, grün oder regenbogenfarbig. 

Aber ich persönlich lehne es ab, daß für meine kleine Freiheit und meinen Lebensentwurf jahrelang Menschen in den Tod geschickt und Kinder traumatisiert werden, sowie ein ganzes schönes Land zerstört und chemisch und/oder nuklear vergiftet wird. Ist es das wirklich wert? Diese Menschen und Kinder können nichts für die geopolitischen Machtspiele der Eliten, genauso wenig wie ich. Sehr viel früher gab es ja mal die gute alte Sitte des Zweikampfes auf dem Schlachtfeld zwischen zwei Königen. Damit wurde oft großes Blutvergießen verhindert. Natürlich bin ich kein Ukrainer - die müssen das selbst entscheiden. Allerdings würde mich schon interessieren, wie demokratisch eigentlich die Entscheidung getroffen wurde, sich auf einen totalen Krieg "einzuschießen". Und wieso solch ein unrealistischer Wahnsinn im Westen plötzlich wieder als normal angesehen wird. Weil meine Mutter jetzt angefangen hat, sich mehr für Politik zu interessieren, schaut sie in den Propagandasendern inzwischen häufiger mal politische Talkshows (nachdem ich damit aufgehört habe). Neulich meinte sie, ihr machen die Ukrainer Angst, die dort gezeigt werden - die würden alle so reden wie die Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs, das sie ja noch bewußt miterlebt hat. 

Aus soziologischer Sicht ist es aber irgendwie faszinierend zu beobachten, wie die frühe Prägung in unterschiedlichen Staaten schließlich bei einer oder mehreren Krisen zu solch eklatanten Unterschieden und Spaltungen führt. Lesenswert zu diesem Thema ist das >>Essay von Antje Vollmer, die als Grund für diesen Unterschied die anhaltende Dankbarkeit im Osten gegenüber Russland für den Gewaltverzicht bei der Auflösung der sozialistischen Staatengemeinschaft sieht. Dieser Gewaltverzicht war eine großartige staatsmännische Leistung, wird aber heute als selbstverständlich genommen und sich von einigen ehemaligen Bürgerrechtlern sogar als "Sieg" auf die Fahnen geschrieben, obwohl die Sowjetunion auch anders gekonnt hätte. Freiheit ist wichtig, aber ohne innere Freiheit ist äußere Freiheit nichts als Fassade. Und innere Freiheit bedeutet, bewußt und verantwortungsvoll handeln und andere Lösungen finden zu können, statt blindlings und ohnmächtig gegen jede Bedrohung und jedes Feindbild anzukämpfen, welches irgendwo genährt wird. Ohne diese innere Freiheit im Handeln wird man niemals wirklich frei sein, sondern eine Marionette, an deren Strippen jeder beliebig ziehen kann, der das möchte. Unter den Gedichten meines Vaters fand ich genau dazu ein Werk:

Ist es schon wieder mal so weit?


Fanfaren, Trommeln, Fahnen,

Marschieren in Reih und Glied,

wir suchten neue Bahnen,

ihr singt das alte Lied.


Vom Bajonette fällen,

vom Thälmann-Bataillon,

und Freiheitsrufe gellen

der Freiheit selbst zum Hohn.


Hört ihr es? "Kampf dem Kriege!"

Wer kämpft, macht selber Krieg,

verdammt sei diese Lüge:

"Durch Kampf der Frieden sieg'!"


Durch Frieden nur kommt Frieden

zu Ost und West ins Land,

O reiche man hienieden

sich doch die Bruderhand!


O sähe man im andern

nicht Politik, Partei.

O glaube jedem andern,

daß er ein Mensch und frei!


Wir sind den Menschenrechten

zwölf bittre Jahre schuld;

statt wieder uns zu knechten,

laßt üben uns Geduld.


Wir wollen Freie werden,

auch frei von Kampf und Krieg;

in Freiheit frei auf Erden,

wär's nicht ein schöner Sieg?

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