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Montag, 28. August 2023

Besuch bei der Muhme | 1

Zurück vom Besuch bei der >>Muhme im Spreewald. Es war sogar richtiges Muhmen-Wetter, im Spreewald immer noch zwei Grad wärmer als in Berlin, aber wir sind bei diesem Wetter nicht so viel über die Felder marschiert. Wahrscheinlich war das die heißeste Woche des gesamten Sommers, denn den Rest habe ich eigentlich nur gefroren. Mein Ferienappartement war glücklicherweise recht kühl. Es lag zu ebener Erde mit eigener Terrasse. Wenn man tagsüber die Rollos unten hatte und abends alle Türen auf und die Fenster angekippt, waren es nie mehr 25 Grad. Zudem hatte ich einen Kühlschrank und besorgte mir gleich Sprudelwasser und Saft, so daß ich abends kalte Sprudel-Schorle trinken konnte. Und die Betten waren super bequem. Da stand sogar Werbung, was für ein Matratzensystem das ist, das habe ich mir sofort aufgeschrieben. Auch einen Fernseher gab es, einen Duftstecker im Bad und WLAN. WLAN allerdings mehr so theoretisch, denn was Mobilfunk und Internet betraf, saß man da regelmäßig in Funklöchern. Kein Wunder - nur hundert Meter um die Ecke herum begann bereits die Wildnis.

Burg könnte das flächenmäßig größte Dorf, zumindest im Osten, sein. Im "Hauptdorf" wohnten meine Großeltern, aber heutzutage möchte man da eigentlich nicht kampieren, da es als neuer Kurort komplett dem Massentourismus verfallen ist. Den "Dorf-Flair", den ich von früher kenne, gibt es dort nicht mehr. Alles ist zugebaut und die Hauptstraße ist inzwischen so laut wie die lautesten Hauptverkehrsstraßen in Berlin. Der alte große Garten meiner Großeltern ist einem Parkplatz für das Amt gewichen und der Spielplatz einer Umgehungsstraße. Vor dem Mehrfamilienhaus meiner Großeltern stand früher eine Kaufhalle. Die haben sie abgerissen und bauen jetzt ganz dicht an der Hauptstraße, nach hinten ebenso dicht zu den anderen Häusern, einen riesig hohen Klotz mit Wohnungen, der da überhaupt nicht hinpasst. Wer dort wohnen soll, ist mir ein Rätsel. Aber vielleicht werden es auch nur Ferienwohnungen. Das dürfte jedoch kein erholsamer Urlaub werden. Immerhin krähen die Hähne noch so wie immer. Wahrscheinlich müssen sie ihr Organ nun besonders üben, damit sie den Lärm übertönen können. 

Zu Burg gehören weiterhin die Kolonie und die Kaupen, dort ist noch ursprünglicherer bis wilder Spreewald, jedoch mit weniger Dorfcharakter, da in dieser Gegend die Gehöfte verstreut zwischen den Wasserarmen auf den Schwemmsandinseln (Kaupe kommt vom sorbischen "Kupa" für Insel) liegen und erst nach und nach auch auf dem Landwege erreichbar sind. Unsere Pension lag in den Kaupen und hatte dem entsprechend ebenfalls einen eigenen Hafen mit zwei Kähnen und Paddelbooten. Den hat wohl dort jedes Anwesen. Manche bauen ihre Häfen sogar aus und bieten Imbiß für die Leute auf den Booten und Kähnen an. Deshalb findest man alle Nase lang tagsüber "offene" Häfen. Natürlich kommen auf dem Fließ am Haus ab und an mal vollbesetzte Kähne oder Paddelboote vorüber, aber ansonsten ist es relativ ruhig und idyllisch. Hinter den Terrassen gab es ebenfalls Durchgangsverkehr, allerdings von Katzen. Wenn man dort abends saß, kam eine Katze nach der anderen den Pfad vorüber geschlichen, mal rot, mal schwarz, mal getigert, völlig uninteressiert und zielstrebig. Nur eine getigerte Katze blieb kurz neugierig stehen und musterte mich, bevor sie weiterschlich. Schade nur, daß wir nicht auch einen leichten Regentag hatten. Den hätte man sicher super auf der überdachten Terrasse verbringen können. Es stehen außerdem überall Apfel- Birn- und Pfirsichbäume herum, die zu dieser Jahreszeit voll waren. Die meisten Früchte fallen runter und verfaulen. Ich habe mir einen Apfel und einen "echten" Pfirsich als "Souvenirs" mit nach Hause genommen. Der Pfirsich wird wohl nicht mehr so richtig reif werden, aber er hat einen herrlichen Duft - viel feiner als der Duft von den Supermarktpfirsichen. Ich muß jetzt ständig daran schnuppern, da ich Pfirsichduft liebe und eigentlich auch Pfirsiche, wenn es denn noch die richtigen, schmackhaften Pfirsiche geben würde. An einem Tag fuhren wir bei der Seifenmanufaktur vorbei und hier kaufte ich sämtliche Pfirsichschäfchen-Seifen weg, die noch zu bekommen waren. 

Obwohl wir "jwd" waren, wie der Berliner sagt, holten uns doch derzeitige Realitäten in Form einer Speisekarte ein, auf welcher "Ukrainische Soljanka" angeboten würde. Also ehrlich, wenn man "russisch" nicht mehr davor schreiben möchte, weil das geschäftsschädigend ist oder nicht ausgesprochen werden darf, könnte man auch einfach "Soljanka" schreiben. So machen es die meisten Restaurants. 

Aber weil wir quasi dort wohnten, wo sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen, und die ständigen Funklöcher ihr übriges taten, gestaltete sich die Anfahrt etwas schwierig. Das Navi spann total rum, wir fuhren mehrmals im Kreis und das Handy war tot. Fast meinte man, einem Spuk der Irrlichter erlegen zu sein. Irgendwann hatte das Handy wieder Empfang. Zu früheren Zeiten, ohne Handy usw. konnte das schon mal schlecht ausgehen, wenn man sich als Wanderer in den Sümpfen verirrte und nicht mehr herausfand, zumal man überall, wohin man auch geht, ständig auf Wasser trifft. Und während die größeren Fließe klar als Wasser zu identifizieren sind, sind viele der ganz kleinen Fließe so überwachsen, daß man sie gar nicht erkennen kann. >>Die Körper der Ertrunkenen werden in den langsam fließenden Spreewaldfließen schnell von Schlamm überzogen, so dass sie oft nie wieder gefunden werden. Man erzählt auch, dass der Wassermann sie verschlingt und ihre Seelen in Tontöpfen gefangen hält.

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