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Sonntag, 30. Juni 2024

Andersen in Leipzig

"Die Gegend ringsumher sah sehr dänisch aus, hier gab es noch eine Waldpartie, dann verlor sich alles in eine unübersehbare Ebene, welche Menschenblut mit Ziffern der Unsterblichkeit beschrieben hat....Es ergriff mich ein eigentümliches Gefühl, als ich über die große, unabsehbare Leipziger Ebene fuhr, wo jedes Dorf in der Kriegsgeschichte von Bedeutung ist. Hier war Napoleon gewesen, hier hatte der große Feldherr gedacht und gefühlt. Das Getreide wallte üppig über dem ungeheuren Kampfplatz; keine Wunde wird doch so schnell geheilt wie die der großen Natur! Es bedarf nur eines Lenzes, um die älteste Ruine mit Blumen und Grün zu schmücken. Man arbeitete an einer neuen Straße, ich sah Menschenknochen und Kugeln, die man beim Graben gefunden hatte. Unter einem Baum saß ein alter Mann mit einem hölzernen Bein; er hatte hier gewiß schon mehr gesehen als das Getreide, das jetzt vor seinen Blicken wallte, und einen ernsteren Gesang gehört als den, welchen die Vögel in den Zweigen über ihm zwitscherten. Mit seiner kleinen Pfeife im Munde ruhte er hier aus und dachte an alte Zeiten...Wir fuhren über die Elster, in der Poniatowski seinen Tod fand; man zeigte mir in der Vorstadt die verschiedenen Stellungen, die die feindliche Armee hier eingenommen hatte, wo man durch die Gärten galoppiert war und Napoleon sich zurückgezogen hatte.

Leipzig selbst machte einen angenehmen Eindruck auf mich, es ist eine große, freundliche Stadt, die Hauptstraßen sind unserer Ostergade sehr ähnlich, allerdings sind sie breiter und, was sie hübscher erscheinen läßt, gerader. Ich glaube, es wohnen zwei bis drei Buchhändler in jeder Straße; überall stehen Bücherschränke, und in den großen blanken Glasfenstern hängen Kupferstiche und Bilder."  (aus "Schattenbilder" von Hans Christian Andersen - bezahlter Link)

Ich bin einmal am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig gewesen, habe aber weniger von dem Denkmal selbst in Erinnerung, als von den üppigen Wiesen mit unzähligen Gänseblümchen. Hans Christian Andersen war ja viel näher dran an der Völkerschlacht, denn er reiste 1831 nach Leipzig, die Völkerschlacht fand im Jahre 1813 statt. Da konnte man sich noch Kugeln und Knochen als echte "Souvenirs" mitnehmen. Zufällig lief erst neulich eine Doku über die Völkerschlacht bei Leipzig. Es war nicht die von mir verlinkte, diese ist aber auch interessant. 

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