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Samstag, 29. Juni 2024

Territoriumsstreitigkeiten und Appetit

Mein Frühstück heute: fünf Körnchen vom Saatweizen, der schon ziemlich gelb und prall ist, drei Blättchen Minze und ein Blättchen vom Nachtkerzengewächs. Die Erdbeeren sind leider noch nicht reif. Keine Sorge, natürlich esse ich mehr, aber normalerweise nicht früh oder vormittags, außer ich werde dazu genötigt, weil ich sonst nichts mehr bekomme. Wenn ich nachmittags beginne zu essen, weil ich vorher keinen Hunger habe, ist das Brunchzeit. Aber vormittags den Balkon abgrasen ist ok. Eigentlich esse ich zur Zeit sogar ziemlich viel und dabei hatte ich auf die Hitze gehofft, denn normalerweise trinke ich an Hitzetagen mehr und habe nicht so viel Hunger. Diesmal aber nicht. Ich fühle mich geradezu unersättlich. Keine Ahnung, wo dieser Appetit herkommt, vielleicht vom Kraftsport, obwohl ich den ja auch eher mild dosiert und nicht jeden Tag betreibe. Vorgestern war es gräßlich schwül und heiß, aber abends hätte ich einen Bären verdrücken können. Hatte ich aber nicht zu Hause und bei dieser Hitze keine Lust, auf die Jagd zu gehen. Also gab es zwei volle große tiefe Teller Pommes, immerhin selbstgemacht mit Olivenöl, aber das hat selbst mir zu denken gegeben. Wer weiß, mit einem Riesenschnitzel dazu, hätte vielleicht ein Teller Pommes gereicht. 

Da ich ja nun unfreiwillig Saatweizen auf meinem Balkon ziehe, bildete ich mich mal ein wenig landwirtschaftlich über die verschiedenen Reifestadien von Korn weiter: Milchreife (EC 75): alle Körner haben ihre endgültige Größe, sind aber eher noch grün, der Korninhalt ist milchig-wässrig, Teigreife (EC 85): der Inhalt des Korns ist noch weich, aber trocken, Gelbreife (EC 87): das Getreidekorn ist schon fester, aber der Druck des Fingernagels ist noch zu sehen, jedoch irreversibel; oft beginnen die Getreidehalme erst gelblich zu werden, Vollreife (EC 89): das Korn ist hart und lässt sich mit dem Daumennagel kaum noch brechen, Totreife (EC 92): das Getreidekorn lässt sich nicht mehr mit dem Daumennagel eindrücken oder brechen, die Körner lockern sich tagsüber bereits und die Pflanze stirbt ab, die Halme brechen zusammen. Mein Saatweizen dürfte gerade in der Gelbreife sein, deshalb ließ ich noch einige Körnchen dran, um den Reifeprozess weiter zu beobachten. Denn man wird alt wie 'ne Kuh und lernt immer noch dazu - um im landwirtschaftlichen Jargon zu bleiben. 

Und während ich so auf dem Balkon saß, ließ sich über mir eine Ringeltaube auf dem Dach nieder, ich glaube, es war ein Täuberich, und äugte herunter. Deshalb war ich baff erstaunt und etwas erschrocken, als er vom Dachrand herunterstieß und direkt im Balkonkasten nur 30 cm vor meinem Gesicht landete. Dort starrte er mich kurz an und flatterte gegenüber zum Baum, wo er sich niederließ. Erst glaubte ich, er hätte mich vorher nicht gesehen, aber denkste. Vom Baum aus startete er dieses Manöver noch einige Male und landete direkt vor mir im Balkonkasten. Der wollte mir meinen lauschigen Balkonplatz streitig machen! Und so ein ausgewachsener Ringeltäuberich ist ein ziemlich großer Brocken! Wenn der direkt auf einen zugeflogen kommt, ist das gar nicht mal so niedlich. Doch ich hielt tapfer stand und starrte nur zurück. Das war anscheinend als Aggressionspotential ausreichend, denn irgendwann gab er auf. Nicht besonders klug, wenn man sich auf diese Weise Wesen nähert, die einen ausgewachsenen Appetit haben. Denn das ist ja schon fast so, als würden einem die Tauben in den Mund fliegen, halt nur noch nicht gebraten. Ich hätte tatsächlich beide Hände schnell ausstrecken können und schon wäre ein fetter Braten sicher gewesen. Dazu hätte ich noch nicht einmal auf die Jagd gemußt. 

In der Küche ist mir auch etwas Lustiges passiert: Eine leere Plastikgetränkeflasche fiel auf den Boden und ich rollte sofort mit den Augen, weil es mit Muskelkater nicht so toll ist, etwas vom Boden aufzuheben. Da stößt sich die Flasche vom Boden ab, springt im großen Bogen wieder nach oben und landet direkt auf den Stuhl daneben, von wo ich sie locker aufsammeln konnte. Die war bestimmt von Putin besessen!

Mein Bruder ist nächste Woche bei der Senioren-Tischtennis WM in Rom. Dort wir es vermutlich kochend heiß sein. In den letzten Jahren war er mit dem Verein auch schon mit dabei, sie sind aber immer bereits am Anfang ausgeschieden, weil ihnen die 85jährigen Altmeister das Leben schwer machen. Im letzten Jahr in Norwegen dürfte es viel angenehmer gewesen sein, als das Jahr zuvor in Rimini. Ich weiß nicht, ob das bei Weltmeisterschaften ebenfalls so ist, daß der Gewinner dann das nächste Gastgeberland ist, aber wenn dem so ist, scheinen die Italiener ein gutes Händchen zu haben. Und in Italien zudem noch einen Heimvorteil, weil sie die Hitze gewöhnt sind. Sehe gerade, daß es in Norwegen eine EM war - was weiß ich. Hans Christian Andersen schrieb in seinen Reiseberichten über die italienische Sprache: "Wie weich und ausdrucksvoll klingt doch diese italienische Sprache! Es sind Töne, die zu Worten versteinert sind; - wie schön müssen sie in der stillen Nacht unter südlichem Himmel klingen, wenn sie von Liebe erzählen! - Liebe! - Hu! Wie häßlich hart und knurrig klingt doch dieses Wort, das den höchsten Geist in Seele und Gedanken zum Ausdruck bringen soll, auf dänisch. 'Kærlighed!' - Oh, wer dieses häßliche, schnarrende Wort erfand, hat die Liebe nicht gekannt und gefühlt. - Es war gewiß ein alter, verdrießlicher Papa, der die jungen Herzen um ihre seligen Träume beneidete und dann wie ein Kettenhund von ihrer, wie er es nannte, 'Kærlighed' knurrte." (aus "Schattenbilder" von Hans Christian Andersen - bezahlter Link)

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