"Am Abend gab man im Opernhaus Webers 'Oberon'; ich freute mich sehr darauf, und obgleich ich einen Sperrsitz hatte, war ich doch einer der ersten im Saale. Ich sollte ja hier erst so recht eine Idee von einer Oper bekommen, sollte hier die Dekorationsmalerei wie eine Kunst für sich behandelt sehen und außerdem, was eine Maschinerie sein kann....So war jede Dekoration ein Kunstwerk, ebenso wie das Arrangement des Ganzen; aber die Maschinerie - mirabile dictu -, die Maschinerie war im Verhältnis zu den Mitteln schlecht. Ich nenne es schlecht, wenn die Wolken auf halbem Wege hängenbleiben, so daß die Genien sie in Ordnung bringen müssen, und daß man in der im übrigen herrlichen Meeresdekoration des zweiten Aktes, wo der Himmel täuschend echt war, oberhalb der Himmelvorhänge direkt zum Schnürboden hinaufsehen konnte, wenn man in der zweiten Reihe, also mitten im Parkett, saß....Die Dekorationswechsel klappten auch nicht so recht, und im Meer von Astrachan sah man einen Maschinisten über die Wasserfläche laufen, was mich sehr frappierte, obgleich ich dies Experiment schon von daheim kannte. Man sagte mir übrigens, daß es noch nie so unglücklich gegangen sei wie an diesem Abend, die Maschinerie hier wäre ein wahres Kunstwerk - es war also ein Unglück an diesem Abend, aber ich kann doch nicht umhin, es zu erwähnen; dergleichen kann also auch hier an Berlins großem Theater geschehen, wo die Mittel so gewaltig sind....
...Im Tiergarten fand ich im übrigen gar keine wilden Tiere, es waren alles zahme Berliner, sehr gutmütige und freundliche Menschen....Fünf Tage in Berlin verschwinden wie im Nu; man weiß eigentlich nur, daß sie anfingen und zu Ende gingen; und doch hatte ich genug von den meilenweiten Straßen, dem gesegneten Staub und den ständigen Berliner Witzen, die mich an die Kopenhagener Kalauer denken ließen, die im Winter bei uns grassierten....
...Der Rückweg ging zum Brandenburger Tor hinaus; ich war der Siegesgöttin ein Lebewohl zu, die mit ihren stolzen, ehernen Pferden ganz andere Szenen gesehen hatte als ich. In ihren jungen Tagen soll sie so aufgestellt gewesen sein, als fahre sie aus Berlin hinaus; wie sie aber wirklich damit Ernst machte und sogar direkt nach Paris ging, ließ man sie zurück transportieren und stellte sie mit dem Gesicht zur Stadt; und es ist gewiß besser, daß der Sieg in eine Stadt hinein - als aus derselben hinauszieht."(aus "Schattenbilder" von Hans Christian Andersen - bezahlter Link)
Das Bild stammt aus dem Nachlaß meines Urgroßvaters und zeigt Berlin um 1850, also nur knapp 20 Jahre nach Andersens Reise. Mein Urgroßvater reiste 1879 zur Gewerbeausstellung in Berlin und hat vielleicht dort diese Karte erworben.
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