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Samstag, 22. August 2020

Ein halbes Jahrhundert

alt geworden und kein Essen. Zu meinem vorgestrigem 50. Geburtstag war ich nicht in Berlin, sondern wir hatten uns auf einem Gutsschloß mitten in Meck-Pomm eingemietet. Ich hatte ja Zweifel, ob das mit der Reise etwas wird, aber auf den Anruf meiner Schwägerin wurde ihr gesagt, daß alles normal abläuft, natürlich bis auf die Maskenpflicht im Hotel außerhalb der Zimmer, aber es sonst überhaupt keine Probleme gäbe. Nun ja, es stellte sich heraus, daß dies ein wenig geflunkert war, denn Futter zu finden gestaltete sich doch ziemlich problematisch. Und ich hatte noch gedacht, da ich im Moment keinen funktionierenden Kühlschrank besitze, könnte ich mich eine Woche lang mal wieder "vernünftig" ernähren. Normalerweise gibt es im Hotel eine Küche und da es auch eine Außenstelle des Standesamtes ist, gingen wir davon aus, wir können dort abends essen. Das Gutsschloß liegt mitten in der Pampa, umgeben von Reitställen, einem kleinen Schloßtümpel und Gehöften. Die nächste Ortschaft mit Supermarkt lag ungefähr 12 km entfernt. Als wir ankamen erfuhren wir, daß die Küche abends wegen Corona geschlossen ist, wir uns also selbst versorgen müssen. Dazu erhielten wir ein Blatt mit einigen Restaurants und Imbissen im nächsten Ort. Nur - den ersten Abend verbrachten wir völlig sinnlos damit, diese Liste abzuklappern, es stellte sich jedoch heraus, daß die Hälfte davon inzwischen wegen Corona geschlossen war und die andere Hälfte ihre Kapazitäten so reduziert hatten, daß es teilweise abends ausschließlich mit Vorbestellung ging und ähnliches. Ganz entnervt fuhren wir zum nächsten Supermarkt, um dort unserer Abendessen zusammenzustoppeln. Da das Hotel zwar mit schönen Antiquitäten eingerichtet war, ansonsten jedoch spartanisch und ohne viel Ausstattung oder Bequemlichkeiten, hatten wir nicht einmal Kühlschränke oder Telefon, und an der Anmeldung war selten jemand erreichbar, da nur ein Ehepaar zuständig, welches aber oft verschwunden war. Für ältere Menschen ohne Handy ziemlich gefährlich. Es lief dann also wieder mehr auf haltbare Snacks hinaus und als Souvenir habe ich mir einen Beutel mit buntem Plastikbesteck von Rewe mitgebracht. Trotz ehemaligem Gutsschloß mit Antiquitäten hatte das dann schon mehr etwas von Jugendherberge mit Selbstversorgung. Irgendwie muß ich sowas geahnt haben, denn diesmal hatte ich extra eine Brotdose mitgenommen, damit ich vom Frühstück mir etwas einpacken kann, so wie in Polen. Ein Frühstück bekamen wir, nur war das ebenfalls wenig erfreulich, so daß ich überhaupt keine Intentionen hatte, mir davon etwas einzupacken, sondern lieber gehungert hätte. Die Brötchen sahen mit ihrer krümeligen Kruste so aus, als wenn sie bretthart getrocknet irgendwo gelagert und dann immer wieder mit Flüssigkeit weich gemacht werden. Auch das Buffett selbst gestaltete sich natürlich etwas umständlich, da es in einem extra Saal aufgebaut wurde und stets nur ein Zimmer, bzw. eine Familie dort hinein und sich etwas holen durfte, natürlich mit Maske.

Wenn man so unterwegs ist, erlebt man schon recht unterschiedliche Dinge, was den Mundschutz betrifft. In einer großen offenen Kirche, also kein Restaurant oder ähnliches, mußten wir tatsächlich unsere Namen und Adressen hinterlassen, danach wurde jeder Kugelschreiber fein säuberlich desinfiziert. Und im riesig hohen Kirchenschiff, wo sich ungefähr zehn Leute aufhielten, paarweise mit mehr als drei bis zehn Metern Entfernung, pöbelte eine Besucherin jeden an, der keinen Mundschutz trug. Danach beklagte sie sich bitterlich bei ihrem Partner, daß sie es so leid wäre, dauernd diskutieren und hinweisen zu müssen. Wir hatten natürlich brav unseren Mundschutz auf, aber mein Mitleid hielt sich trotzdem in Grenzen, denn man kann sich das Leben natürlich auch selbst schwer machen. Ansonsten ist es eher so wie in Berlin, daß niemand etwas sagt, wenn man aus Vergeßlichkeit mal wieder seine Mundschutz vergessen hat. Einmal geschah sogar das Gegenteil. In einem An- und Verkauf, einem riesigen Speicher in einer alten Halle, saßen vorne an der Kasse eine ältere Frau und ihr Sohn, die wohl beide diesen Laden führen und er sagt ganz burschikos zu mir: "Nimm den Lappen ab, den brauchste hier nicht!"

Wir hielten uns jeweils einen ganzen Tag in Stralsund und in Ribnitz auf, wo es ebenfalls etwas schwieriger als sonst war, ein Restaurant zu finden, aber es gab glücklicherweise dennoch genug, um dann dort mal richtig zu essen.
So idyllisch und charmant auch das Äußere und die Zimmereinrichtung des Schlößchens war, so wenig war anscheinend darauf geachtet worden, daß die Gäste sich dort auch wohl fühlen. Es gab ganz viele blöde Kleinigkeiten, die bei einem Aufenthalt eher ärgerlich sind. Zum Beispiel gab es im Badezimmer Haken, was erst einmal sehr gut und für mich wichtig ist, nur hatte kein einziges Handtuch eine Schlaufe zum Aufhängen. Es stand ein großes Schild im Badezimmer, man solle doch der Umwelt zuliebe ein Handtuch mehrere Male benutzen. Nun mache ich das sowieso immer - ich brauche nicht jeden Tag ein neues Handtuch. Doch wenn ich nicht weiß, wo ich es lassen soll und es irgendwo mühsam hinter die Heizung klemmen oder irgendwo drüber werfen muß, wo es jedesmal runter rutscht, dann hätte ich Lust, aus lauter Frust das Handtuch nach jeder Benutzung sofort auf die Erde zu feuern. Vielleicht könnten sie sich ihre tollen Plastikschilder sogar sparen, wenn sie an den Handtüchern mal Schlaufen befestigen würden. Ansonsten absolut null Informationen, weder Infos über WLAN noch Notfalltelefonnummern, aber wozu auch, wenn eh kein Telefon auf dem Zimmer ist. Und fast nie jemand an der Rezeption, wenn man nachfragen möchte. Der Spiegel im Badezimmer sehr gruselig, anscheinend ein antiker Spiegel, hat er das Spiegelbild so verzogen, daß man sich vorkam wie in einem Kuriositätenkabinett, der Anblick seltsam verzerrt und alles in die Länge gezogen. Korpulenteren Gästen mag sowas vielleicht gefallen, mir weniger. Ebenso scheußlich das Bett - ein Metallbett mit Gitter am Kopf- und Fußende und für gemütlich drauf liegen und lesen oder fernsehen völlig ungeeignet, da es nur ein dünnes Kissen gab und der Kopf beim Versuch, ihn höher zu betten, immer zwischen die Gitterstäbe rutschte. Man konnte zwar einigermaßen darin schlafen, aber ansonsten ist so ein Bett nur noch für Fesselspiele oder als Kleiderstange gut. Würde ich mir selbst niemals kaufen so ein Modell. Leider gab es aber auch kein Sofa oder wirklich bequeme Sessel im Zimmer, obwohl das Zimmer an sich riesig war. Sogar so riesig, daß fast ein halber leerer Tanzboden übrig blieb. Und als mir das auffiel, habe ich mir tatsächlich die Pyjamahose angezogen und auf dem Boden ausgiebig einige Bodenelemente getanzt. Das ging super auf dem Parkettboden und da unter dem Zimmer die eh geschlossene Küche lag, dürfte es auch niemandem gestört haben. So viel Platz hätte ich zuhause auch gerne, aber es blieb nur bei dem einen Mal, da wir die anderen Tage von den Ausflügen viel zu fertig waren, so daß ich diesen einen Pluspunkt, neben der idyllischen Lage, nicht wirklich ausgiebig nutzen konnte.

Mein Bruder mit Komplettvermummung in der Stralsunder Stadtmauer:
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Der halbe Tanzboden:
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Das Kaminzimmer im Schloß:
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14 Kommentare:

  1. Alles Gute nachträglich, auch wenn die "Party" dann eher bescheiden ausfiel.

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  2. Willkommen in den Fünfzigern und alles Gute und Liebe zum Geburtstag nachträglich!!

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  3. Monsterglückwünsche nachträglich! Wirklich sehr ärgerlich, dass da so viel daneben gelaufen ist.

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    1. Herzlichen Dank! Ja, aber wir haben das beste daraus gemacht. Immer noch besser, als wenn gar nix stattgefunden hätte.

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  4. Herzlichen Glückwunsch💛 nachträglich! Und nicht so viel meckern, war doch alles da, sogar Katze, Ziegen und Schafe!

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    1. Danke dir! Alles war definitiv nicht da, aber wie ich ja schon schrieb - idyllisch war es, einschließlich Katzen, Haushund, Schwalben, Pferden, Ziegen und Schafen. Aber was nützt die schönste Idylle, wenn man sich nicht wohlfühlt und diese auch genießen kann? Als unseren Notfallplan hatten wir vorgesehen, notfalls eine Ziege zu schlachten und an einem Lagerfeuer zu rösten. Das geht auch ohne Küche, Kühlschrank und Supermarkt. ^^

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  5. Ich weiß zwar nicht wie "Ziege" schmeckt, hört sich aber gut an.

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    1. Zum Glück wurde der Notfall ja abgewendet, deshalb weiß ich jetzt auch nicht, wie Ziege schmeckt.

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  6. Willkommen im Club... (obwohl ich mich ja nicht so oft mit anderen über 50 identifizieren kann :)
    (habe übrigens vorgestern mit dem Buch von Isadora begonnen, liest sich schön, gefällt mir gut, ihre Schreibe!)

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    1. >Willkommen im Club< - Oh Gott, das hat meine Schwägerin auch gesagt und ich habe erst gar nicht verstanden, was sie meint. Gestern sah ich bei einer Online-Umfrage unter den persönlichen Angaben die 50 schwarz auf weiß stehen und sie gehörte zu mir. Da ist mir die ganze Tragweite bewußt geworden. *gg*

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  7. Und wie ist die Party ausgelaufen? Die ganzen Kommentare freuen mich sehr. Alles gute nachträglich!

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