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Dienstag, 27. Juni 2023

Die unendliche Geschichte

Heute ist Siebenschläfertag und es hat bereits zweimal geregnet. Inzwischen zieht wieder eine dicke, dunkle Wolke auf und es rumpelt und grollt am Horizont. Wissenschaftler haben übrigens festgestellt, daß an dieser Bauernregel, wenn es am Siebenschläfertag regnet, es sieben Wochen lang so bleibt, tatsächlich etwas dran ist. Zumindest in sechzig Prozent der Fälle. Das hängt wohl mit dem Jetstream zusammen. Aber immerhin zu vierzig Prozent besteht noch Hoffnung. 

Doch eigentlich wollte ich die unendliche Behördengeschichte meiner Mutter weitererzählen. >>Sie läuft ja nun bereits seit fast einem halben Jahr ohne gültigen Personalausweis herum, weil es einfach nicht möglich ist, in dem Bürgeramt, das mit Rollator noch für sie erreichbar ist, einen Termin zu bekommen. Erst war es ewig wegen der Wahl geschlossen und danach war es ebenfalls unmöglich. Telefonisch kommt man gar nicht durch und online gibt es nie freie Termine. Die gab es lange Zeit nicht einmal berlinweit. Letztens hab ich mal wieder reingeschaut und festgestellt, daß nun im August ein paar freie Termine berlinweit zu finden sind, allerdings alles viel zu weit weg für meine Mutter. 

Meine Schwägerin ist irgendwann auf die Idee gekommen, eine Befreiung von der Ausweispflicht für sie zu beantragen. Ich bin diesbezüglich eher skeptisch, denn diese Befreiung ist ja eigentlich für Leute gedacht, die nicht mehr vor die Tür kommen. Aber meine Mutter ist noch ganz munter überall da unterwegs, wo sie mit dem Rollator ohne gefährliche Busfahrten hinkommt. Nun war meine Mutter neulich bei ihrer Ärztin und hat nach einem Attest für die Befreiung gefragt. Dieses wurde ihr sogar gegeben. Jetzt bin ich mal gespannt, ob das klappt, ansonsten muß sie weiter illegal mit ungültigem Ausweis herumlaufen und auf senil tun, wenn sie erwischt wird.

Sie amüsierte sich total über ihre Ärztin, weil diese sogar so naiv war, dort selbst im Bürgeramt anzurufen, um für sie einen Termin zu machen. Das hat natürlich ebenso wenig funktioniert. Sie hat mich auch mal vor kurzem gefragt, ob sie zu einer Beratungsstelle für alte Leute gehen soll, die sie irgendwo in der Nähe entdeckt hat. Gute Idee, fand ich. Vielleicht haben die ja irgendwelche Verbindungen zur Verwaltung oder können beim Bürgermeister mal auf den Tisch hauen. Ich glaube nicht, daß sie der einzige fußlahme alte Mensch ist, der an der Behörde verzweifelt. Zur Not bliebe ebenfalls noch eines der Berliner Wochenblättchen. 

Als ich neulich meine früheren Kolleginnen getroffen habe, erzählten die genauso, daß dort in der Bezirks-Behörde in einigen anderen Ämtern, zu deren Mitarbeitern vereinzelt noch Kontakt besteht, alles drunter und drüber geht. Irgendwie ging da schon seit Jahren alles drunter und drüber und man dachte stets, es könne gar nicht mehr schlimmer werden, aber wie man sieht, es geht immer noch schlimmer. 

Außerdem wollte meine Mutter von mir einige Begriffe übersetzt haben, die sie im Fernsehen nicht versteht. Zum Beispiel wollte sie wissen, was TikTok ist. Und auch "Chillen" kam ihr Spanisch vor. Ich habe ihr dann erklärt, daß "chillen" früher "rumhängen" hieß. Ich hoffe, sie fragt mich nicht irgendwann nach Fachbegriffen der Queer- und Gender-Theorie. Da muß ich nämlich ebenfalls passen. 

Und nachdem ich jetzt meinen Text beendet habe, schüttet und hagelt es hier wie aus Eimern. 

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